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Unternehmensimmobilien in Zeiten von Corona

Wachstum unter Vorbehalt

Portraitfoto von Andreas Schulten Portraitfoto von Ralf-Peter Koschny
Sind Unternehmensimmobilien auch infolge der Corona-Rezession weiterhin gefragte Investmentobjekte, oder heißt es nun „zurück in die Nische“?

Die beiden bulwiengesa-Experten Ralf-Peter Koschny und Andreas Schulten erläutern, warum eine gefüllte Projektpipeline relevanter als je zuvor ist – und ob die Konjunktur dem grundsätzlichen Optimismus der Branche einen Strich durch die Rechnung machen könnte.

Wenn es um Unternehmensimmobilien geht, herrscht unter Entwicklern und Investoren weiterhin stabiler Optimismus. Während der diversifizierte Mietermix und die Drittverwendungsfähigkeit weiterhin als grundsätzliche Vorteile gelten dürfen, werden nur sehr selten Nachteile bemängelt. Schließlich erweist sich die Assetklasse auch in der Krise als sehr fungibel: So kommen Mietausfälle zwar vor, gehören aber zur Ausnahme. Es scheint also, als würden Unternehmensimmobilien den aktuellen Stresstest deutlich besser überstehen als viele andere Immobilientypen im Gewerbesegment. Hinzu kommt, dass Gewerbeparks an ihren Standorten zumeist allmählich gewachsen und somit lokal tief verwurzelt sind. Diese Verbindung mit der Region stellt einen wichtigen Faktor zur Wiedervermietbarkeit dar – sofern doch einmal eine Insolvenz zu beklagen sein sollte.

Gewerbeparks sind oft in ihrem Umfeld verankert und somit gut wiedervermietbar

Ganz so einfach ist die Situation trotzdem nicht. Schließlich haben wir ein Rezessionsszenario vor uns, das sich – auf gut Deutsch – gewaschen hat. Wie schmerzhaft der Abschwung genau wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Unternehmensimmobilien korrelieren mit der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung, weshalb die tatsächliche Entwicklung dieses Teilsegments stark von der konjunkturellen Entwicklung des Markts abhängt. Eine Schwächephase für Unternehmensimmobilien, die an die schwierige Situation der 1990er- und frühen 2000er-Jahre erinnert, ist also theoretisch denkbar. Im Falle eines größeren Konjunktureinbruchs wären natürlich auch die meisten anderen Typen von Gewerbeimmobilien stark betroffen. Lediglich das Wohnsegment wäre bis zu einem gewissen Grad entkoppelt.

Die Managementintensität von Unternehmensimmobilien führt zu intensiver Kommunikation – so erkennt man früher die Bedürfnisse der Mieter

Alleinstellungsmerkmale hervorheben

Um ihre Assets zu stärken, werden viele Entwickler und Manager von Unternehmensimmobilien die Alleinstellungsmerkmale ihrer Objekte weiter ausdifferenzieren. Dies wird letztlich der gesamten Assetklasse als Investmentprodukt zugutekommen. Auch Herausforderungen können dabei zu Stärken gewandelt werden: Der hohe Managementaufwand für Unternehmensimmobilien ergibt sich zum Teil dadurch, dass eine ständige Mieter-Vermieter-Kommunikation notwendig ist. Diese sorgt jedoch dafür, dass das Wissen über diese Mieter in der Regel sehr viel ausgeprägter ist – und angesichts von möglicherweise drohenden Mietausfällen oder neuen Schwerpunktsetzungen am Standort schneller und präziser reagiert werden kann. Diese Erkenntnisse können zudem in konkrete Maßnahmen zur Anpassung der Fläche umgesetzt werden. 

Ein weiterer Aspekt, der aktuell für positive Impulse im Bereich der Unternehmensimmobilien sorgt, ist der Wandel der Mieterstrukturen. Während landläufig noch immer das Bild des Gewerbeparks als Wirkstätte für produzierendes Gewerbe vorherrscht, macht diese Nutzergruppe nur noch etwa 13 Prozent der Mieterschaft aus. 20 Prozent der Mieter sind hingegen bereits jetzt unterschiedliche Unternehmen aus der Digital- und Kreativwirtschaft, die von den Folgen des Lockdowns und dem Abreißen der internationalen Lieferketten nicht in dem Ausmaß betroffen sind wie Akteure aus den Bereichen Fertigung und Handel. Auch die kleinteiligere Logistik beziehungsweise Produktion dürfte teilweise gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Der Digitalisierungsschub wird Prozesse enorm verändern

Hinzu kommt, dass der allgemeine Digitalisierungsschub die Fertigungsprozesse weiter wandeln wird – Stichwort Industrie 4.0. Die Vorteile einer modernen Vor-Ort- beziehungsweise On-Demand-Produktion auf kleineren Flächen sprechen für die stadtnahen und flexiblen Unternehmensimmobilien. Auch die seit Neuestem geführte Diskussion über kollaborative Roboter, sogenannte Cobots, die mit Menschen direkt vor Ort zusammenarbeiten, kann neue Flächenparadigmen und Anpassungsbedarfe nach sich ziehen. Dabei können die Manager von Unternehmensimmobilien ihre Flächenflexibilität unter Beweis stellen.

Nachfrageüberhang dürfte steigen

Unter dem Vorbehalt einer langfristig wieder stabileren Konjunkturentwicklung dürfte daher der Nachfrageüberhang sowohl mieter- als auch investorenseitig weiter steigen. Aktuell existieren zwar noch keine belastbaren Zahlen zu den Entwicklungen der Vermietungsmärkte in konkreter Reaktion auf den Corona-Lockdown. Bei einem angenommenen V-Verlauf gehen wir aufgrund der erwähnten Megatrends langfristig davon aus, dass jährlich etwa 400.000 bis 500.000 Quadratmeter neue Flächen in Form von Neubau und Revitalisierung auf den Markt gebracht werden müssten, um den Bedarf zu befriedigen. Hinzu kommt, dass sich kostensensible Mieter stärker gegen die CBD-Bürolagen und für den verkehrsgünstig gelegenen Gewerbepark entscheiden könnten. Ähnlich dürfte sich der Nachfrageüberhang auf Investorenseite entwickeln, zumal eine Ausweichbewegung von aktuell schlechter performenden Assetklassen hin zur (Unternehmens-)Immobilie möglich ist.

Das zentrale Problem der Flächenverfügbarkeit, das das Segment bereits seit Jahren prägt, dürfte also tendenziell eher zu- als abnehmen. Während für die Asset- und Property-Manager anderer gewerblicher Nutzungsarten zurzeit Krisenmanagement angesagt ist, sollten die Akteure im Bereich der Unternehmensimmobilie verstärkt Mittel und Wege zur Erschließung neuer Projekte finden. In diesem Zusammenhang könnten perspektivisch auch Kultur-, Gastronomie- und Freizeitflächen auf den Arealen noch wichtiger werden. Aktuell aus ökonomischen Gründen vielleicht nicht die Wahl der Stunde, könnte ihr gesellschaftlicher Mehrwert mittel- bis langfristig dazu führen, dass die Kommune ein Argument mehr für die Realisierung eines Projekts hat.

Die Revitalisierung der „Schmuddelbezirke“

Während einzelne Corporates ihre Immobilienquote infolge von COVID-19 senken werden, erwarten wir keinen neuen Siegeszug des Modells Sale-and-Lease-back – zumindest solange kein massiver Strukturwandel einzelner Branchen einsetzt. Zum einen hat die Immobilienbranche in den vergangenen Jahren ihre Kontakte zu den Corporates entscheidend ausgebaut und bereits vor Corona zahlreiche Anfragen zu möglichen Transaktionen gestellt. Zum anderen nützt die Freisetzung von Liquidität angesichts des niedrigen Zinsniveaus wenig, sofern nicht ein konkreter Investitionsanlass – beispielsweise für Forschung und Entwicklung oder für Innovationsprozesse – vorliegt. Die positive Immobilienpreisentwicklung hingegen sorgt für eine kontinuierliche Wertsteigerung der Areale.

Es müssen nicht immer A-Standorte und A-Lagen sein – wenn die Verkehrsanbindung stimmt, können auch vernachlässigte Viertel aufgewertet werden

Stattdessen liegt es durchaus im Bereich des Möglichen, dass alte, untergeordnete Gewerbegebiete in den Metropolen revitalisiert und integriert werden. Dabei sind nicht innerstädtische Lagen mit ehemaligen Industrieanlagen gemeint, sondern eher die „Schmuddelkinder“ aus dem 20. Jahrhundert wie beispielsweise einige Standorte in Berlin-Tegel oder auch Hamburg-Billbrook. Dort wird bei Weitem noch nicht das gesamte Potenzial genutzt, das vor allem wegen der stadtnahen Lage und der guten Verkehrsanbindung existiert. Eine gezielte Entwicklerarbeit könnte dafür sorgen, dass das gesamte Viertel nachhaltig aufgewertet wird. Es müssen nicht die A-Standorte und nicht die A-Lagen sein, damit ein Gewerbepark funktioniert; auch sekundäre Standorte können durchaus erfolgreich sein, sobald die Flächen für moderne Nutzungen zugeschnitten und an die relevanten Verkehrswege angebunden sind.

Fazit: Optimieren, was zu optimieren ist

Ob die deutsche Wirtschaft in den 2020er-Jahren weiterhin so konstant wächst wie im vergangenen Jahrzehnt, hängt von einem Zusammenspiel unzähliger wirtschaftlicher und demografischer Faktoren ab. Der mögliche Einfluss der Immobilienbranche auf diese makroökonomischen Entwicklungen ist begrenzt. Eine weitere Professionalisierung des Managements von Unternehmensimmobilien ist jedoch möglich und sinnvoll, auch um neue, hochwertige und krisenfeste Nutzergruppen als Mieter zu erschließen und somit die Objekte weiter zu optimieren. Dadurch werden neue Sicherheitsfaktoren für die einzelnen Immobilien und letztlich auch für die Assetklasse als Ganzes geschaffen. Gleichzeitig sollte jedoch auch nach Mitteln und Wegen gesucht werden, wie beispielsweise klassische Handwerksbetriebe oder Werkstätten weiterhin in den deutschen Gewerbeparks angesiedelt bleiben können. Erst ein breit umfassendes, nachhaltiges und universelles Spektrum an Funktionen sichert einen zyklusunabhängigen Erfolg der Gewerbeparks in Zukunft.