E-Commerce und Gewerbeparks: „große Liebe“ oder „Zweckehe“?

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Von Kai Gutacker, Managing Partner PB3C GmbH

Es gibt unzählige Formen von Logistikimmobilien: vom riesigen Zentrallager, in dem theoretisch ein ganzes Flughafenterminal Platz hätte, über die vollautomatischen Zustellbasen der Deutschen Post bis hin zum innerstädtischen Mikro-Hub als „Brückenkopf“ für Same-Hour-Delivery-Angebote des Lebensmittelhandels.

Wer nun die Logistikflächen in deutschen Gewerbeparks betrachtet, erkennt schnell, dass das Ergebnis meist in der Mitte dieses Spektrums liegt: Die Flächen sind mit einigen Tausend Quadratmetern mittelgroß und in der Regel teilweise, aber nicht vollständig automatisiert. Zudem sind sie mit Entfernungen von etwa 15 bis 30 Fahrminuten zum Stadtkern zwar durchaus urban, allerdings nicht im engeren Sinne innerstädtisch gelegen.

Auf den ersten Blick erscheint es daher zweckmäßig zu sein, dass Unternehmen aus dem gleichermaßen kosten- und zeitsensiblen E-Commerce-Segment solche Flächen anmieten, die eine gute Kosten-Nutzen-Relation bieten. Schließlich gibt es für sie in den meisten Ballungszentren kaum Flächenangebote, die noch urbaner gelegen wären als die jeweiligen Gewerbeparks an den Stadträndern. Aber handelt es sich dabei eher um eine Ausweichlösung, weil ähnlich große zusammenhängende Flächen in der Innenstadt einfach nicht verfügbar sind beziehungsweise zu teuer werden? Oder bieten Gewerbeparks darüber hinaus Alleinstellungsmerkmale, die eine Ansiedlung von E-Commerce-Unternehmen begünstigen?

Bei der Beantwortung der Frage, ob es sich bei der Liaison zwischen Onlinehandel und Gewerbepark eher um eine „Zweckehe“ oder eine Liebesheirat handelt, spielen mehrere Faktoren eine wichtige Rolle.

Bei den Akteuren aus dem E-Commerce besteht ein großer Flächenbedarf – was anhand der jährlichen Wachstumsraten von 15 bis 30 Prozent je nach Branche auch keine Überraschung ist.

Oliver Prothmann, Präsident des Bundesverbands Onlinehandel e. V.

Erster Faktor: Flexibilität

Ein wichtiger Aspekt, der für Gewerbeparks als Operationsbasis von E-Commerce-Unternehmen spricht, ist die Flexibilität der Immobilien. Gemeint ist damit aber nicht nur die Möglichkeit, Fläche angesichts veränderter Warensortimente hinzuzumieten oder abzustoßen. Wichtig ist vor allem, dass Gewerbeparks unterschiedliche Nutzungsbedürfnisse und Standortanforderungen abbilden können.

Warum das entscheidend ist, unterstreicht Oliver Prothmann, Präsident des Bundesverbands Onlinehandel e. V. (BVOH): „Es stimmt, dass ein großer Flächenbedarf bei den Akteuren aus dem E-Commerce besteht – was anhand der jährlichen Wachstumsraten von 15 bis 30 Prozent je nach Branche auch keine Überraschung ist. Aber was die nachgefragten Standorte betrifft, existiert ein zentraler Unterschied zwischen Onlinehandel und Logistik. Während bei Logistikdienstleistungen kurze Wege in den Stadtkern erforderlich sind, um die Belieferung der letzten Meile sicherzustellen, müssen reine E-Commerce-Unternehmen diese Dienstleistungsunternehmen gut erreichen können. Die zügige Verbindung zum Versand-Hub von DHL, DPD oder Amazon FBA ist hier wichtiger als die Innenstadtnähe.“ Somit könnte sich ein reiner Onlinehändler auch weiter in der Peripherie ansiedeln, sofern nur die nächste Autobahnauffahrt nah genug gelegen und der Weg zum Verteilzentrum dementsprechend kurz ist.

Gewerbeparks, die kurze Wege sowohl zur Autobahn als auch in die Innenstadt bieten, können Onlinehandel und Logistikunternehmen gleichermaßen anziehen. In einigen Fällen sind die Logistiker sogar direkt mit einem Hub im jeweiligen Gewerbepark oder zumindest im entsprechenden Gewerbegebiet vertreten, was für starke Synergien sorgen kann.

Ein weiterer Trend wird dabei immer wichtiger: „Viele E-Commerce-Unternehmen haben inzwischen eingesehen, dass auch die Logistikdienstleister an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, da sie entweder kein Lagervolumen oder aber nicht genug Mitarbeitende haben und somit keine neue Kundschaft mehr annehmen können. Einige Handelsunternehmen gehen daher dazu über, in ihre eigene Logistik zu investieren“, sagt Prothmann.

Eine solche Erweiterung des Geschäftsprozesses ist im Normalfall mit einem Umzug oder einer zusätzlichen Anmietung verbunden. Gewerbeparks, die über ausreichend Rampentore sowie flexible Andienungsmöglichkeiten verfügen, können sich jedoch für beide Strategien eignen. Ein Onlinehändler kann also seine Logistikstrategie auf seiner vorhandenen Fläche ändern und eine reine Lagerimmobilie zum Verteilzentrum umrüsten, sofern die übrigen notwendigen Standortkriterien erfüllt sind. Existieren darüber hinaus ausreichend Erweiterungsflächen, kann er sich zudem vor Ort vergrößern und Lagerung und Kommissionierung auf demselben Areal abwickeln.

Zweiter Faktor: Management

Ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für die Effizienz jedes E-Commerce-Unternehmens – sei es Onlinehandel oder Logistik – ist ein reibungsloser Verkehr auf dem Areal sowie zwischen Areal und Innenstadt. „Wenn der Lkw eines Paketdienstes drei Tage lang Schwierigkeiten hat, auf das Gelände zu kommen, weil alles kreuz und quer steht, wird das Lieferunternehmen die Pakete des Onlinehändlers irgendwann nicht mehr abholen“, kommentiert Prothmann.

Keine schlechte Idee: Online-Händler und Paketdienst auf einem Areal, um die öffentlichen Straßen zu entlasten

Auch wenn Gewerbeparks oft nah an großen Verkehrsadern entstehen, so braucht es dennoch eine Planung für Zufahrt, Beladung und Abfahrt. Gut gemanagte Gewerbeparks werden mit einem zentralen Verkehrskonzept für alle realisiert, die sie nutzen. Fahrzeuge werden über ein Wegeleitsystem gesteuert, gemeinsam nutzbare Ladesäulen für E-Mobilität sind ein weiterer Pluspunkt und gegebenenfalls entstehen sogar Synergien. Sind beispielsweise ein Onlinehändler sowie ein Paketdienst auf dem Areal, kann die Anlieferung vom Händler zum Dienstleister innerhalb des Grundstücks erfolgen. Auf diese Weise entfällt ein beachtlicher Teil des ansonsten aufkommenden Lieferverkehrs auf den öffentlichen Straßen.

Das Thema Verkehr ist aber nicht nur auf Objektebene, sondern auch auf kommunaler Ebene relevant. Zahlreiche politische Entscheidungsträger sind neuen Logistikansiedlungen gegenüber ablehnend eingestellt und bedenken nicht, dass die Logistik zu digitalen Innovationen dazugehört. Eher noch wird kritisiert, dass die Arbeitsplätze pro Quadratmeter Fläche und die Gewerbesteuerbeiträge zu gering seien sowie die Belastungen aus den zusätzlichen Verkehrsströmen zu groß. Lassen sich gar mehrere Akteure aus dem Logistiksegment an verschiedenen Standorten nieder, so werden sie zwar für ihr eigenes Areal Verkehrskonzepte entwickeln – sie berücksichtigen allerdings nicht unbedingt andere Logistikakteure im Umfeld. „Mit ganzheitlich geplanten Verkehrsströmen würden die Logistikprozesse auch effizienter“, unterstreicht Prothmann, „dies könnte beispielsweise durch gemeinsam nutzbare Flächen wie Paketdepots in den innerstädtischen Wohn- und Büroimmobilien ergänzt werden.“

Mit Blick auf einen gut gemanagten Gewerbepark empfiehlt E-Commerce-Experte Prothmann für Firmen aus dem Logistikbereich noch ein weiteres Ausstattungsmerkmal: „Wichtig ist ein Sicherheitskonzept. Schließlich lagern in den jeweiligen Hallen oft Waren im Wert von mehreren Millionen Euro.“

Dritter Faktor: Flächenkonzepte

Sei es aufgrund steigender Serviceansprüche, größerer Warenangebote oder auch aufgrund der eingangs erwähnten Integration von Logistikprozessen ins eigene Geschäftsmodell – das Wachstum von E-Commerce-Unternehmen ist mit hohen Investitionssummen verbunden. Vor diesem Hintergrund kann die Frage, ob neue Flächen gemietet oder gekauft werden, von großer Bedeutung für die jeweilige Firmenbilanz sein.

Hier bietet sich für Immobilienentwickler einiges an Potenzial. Schließlich ermöglichen es moderne Flächenkonzepte zur Miete, dass E-Commerce-Unternehmen ihr Kapital ins Kerngeschäft investieren können und nicht „unfreiwillig“ zum Immobilienbestandshalter werden.

Gewerbeparks für E-Commerce-Unternehmen: eine sichere Bank dank Flexibilität

Fazit: Eine Frage der Umsetzung

Berücksichtigt man diese drei Faktoren (Flexibilität, Management und Flächenkonzepte), so zeigt sich, dass Gewerbeparks das Potenzial dafür haben, zum Brückenkopf für den deutschen Onlinehandel zu werden. Ob das tatsächlich der Fall sein wird oder ob sich Handel und Logistik bei steigendem Flächenangebot mittelfristig doch lieber anders orientieren, hängt vom konkreten Objekt ab.

„Kommunen und Vermieter erhalten mit Onlinehändlern sichere Partner und Mieter“, resümiert Oliver Prothmann. Dass die E-Commerce-Unternehmen umgekehrt auch den Gewerbepark langfristig als Standort akzeptieren, hängt maßgeblich von der Qualität des jeweiligen Asset und Property Managements ab.