Märkte & Meinungen
2007 versus 2024: Deutschland muss sein Vertrauen in die Marktwirtschaft wiedergewinnen
Die Immobilienbranche sieht sich mittlerweile seit mehr als einem Jahrzehnt mit einem zunehmend herausfordernden politischen Umfeld konfrontiert. Eine Vielzahl an Regulierungen und Eingriffen behindert die Entwicklung der Branche und hemmt den Fortschritt auf vielen Ebenen. Dies wird zwar zunehmend von Verbänden und Marktteilnehmern kritisiert. Aber nur punktuell und viel zu selten strukturell. Was ich damit meine: Wir haben in Deutschland mittlerweile dirigistische Ausmaße des politischen Eingriffs in die Märkte erreicht, die zu einem immer härteren und engeren Rahmen führen. Ausmaße, in denen es für die Privatwirtschaft immer schwerer wird, ihrem eigentlichen Zweck nachzukommen – nämlich zu wirtschaften und auf die vorhandene Nachfrage mit einem adäquaten Angebot zu reagieren.
Ein Grund für die Einengung ist eine zunehmend einseitige Interpretation der sozialen Marktwirtschaft. Eine ifo-Umfrage aus dem Jahr 2022 bestätigt dies: 49 Prozent aller Befragten verbinden mit dem Begriffspaar soziale Aspekte, 34 Prozent denken an marktwirtschaftliche Prozesse, und nur 11 Prozent sehen darin einen Weg zu mehr Wohlstand. Das „Soziale“ – das schützende Element, das zweifellos wichtig und richtig ist – wird also immer mehr zum einseitig dominierenden Merkmal dieser Wirtschaftsordnung. Ich sehe diese Entwicklung fast überall in der politischen Landschaft, also nicht nur dort, wo man sie in der Grundausrichtung ohnehin vermutet, sondern auch dort, wo man vermeintlich konservativ unterwegs ist. Niemand scheint mehr zu erkennen: Wenn nichts mehr erwirtschaftet wird, dann gibt es auch keine Sozialleistungen mehr, keine Transferleistungen, keine Absicherung und keinen angemessenen sozialen Wohnungsbau. Der ehemalige Siemens-CEO Joe Kaeser brachte es kürzlich auf den Punkt: Alles, was in diesem Land im öffentlichen Sektor ausgegeben wird, wurde irgendwann von den Privaten erwirtschaftet. Dieses Bewusstsein scheint jedoch an vielen Stellen verlorengegangen zu sein.
Eine „Aurelis 2.0“ wäre 2024 nicht möglich
Wie sich die Verhältnisse verändert haben, zeigt das Beispiel Aurelis: Die Deutsche Bahn bereitete sich in den 2000er-Jahren als damaliges Staatsunternehmen darauf vor, an die Börse zu gehen, und veräußerte im großen Stil ihre nicht betriebsnotwendigen Immobilien und Flächen an die Aurelis als Tochtergesellschaft, die 2007 nach einem Verkaufsprozess in privatwirtschaftliches Eigentum überging. Und wir haben mit dem Immobilienvermögen gewirtschaftet: Wir haben bereits im ersten Jahr die Investitionen vervielfacht und bis heute baureife Grundstücke für ca. 208.000 Einwohner auf den Markt gebracht. Die Effizienzsteigerung war enorm. Allein im Frankfurter Europaviertel, wo wir und weitere private Akteure brachliegende Bahnflächen entwickelt haben, sind 6.000 Wohnungen entstanden, ein erheblicher Teil davon gefördert.
Heute wäre der Verkauf einer solchen staatseigenen Immobiliengesellschaft undenkbar. Stattdessen würden alle Flächen bei der öffentlichen Hand verbleiben. Dies basiert auf der Annahme, die öffentliche Hand könne durch eine gezielte „Bodenpolitik“ die Bedürfnisse der Bevölkerung besser befriedigen. Dem Markt werden die Grundstücke in dieser Konstellation allerdings zunächst für längere Zeit als Angebot entzogen. Doch selbst, wenn dem nicht so wäre, stünde dem Verkauf heute ein Gesetz im Weg: Die Neufassung des § 23 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) Ende 2023 verlangt ein „überwiegendes öffentliches Interesse“, damit nicht mehr betriebsnotwendige Bahngrundstücke überhaupt noch von Bahnbetriebszwecken freigestellt werden können. In Stuttgart-Rosenstein liegt seither ein Bauprojekt mit 5.700 Wohnungen auf Eis. Dieser konkrete Fall hat so hohe Wellen geschlagen, dass der § 23 AEG nun möglicherweise wieder zurückgenommen wird.
Und noch eine kleine Anekdote zum Stichwort Bebauungspläne: Im Europaviertel Ost vergingen zwischen der Entwidmung der Bahnflächen und dem Satzungsbeschluss des Bebauungsplans nur knapp drei (!) Jahre. In den vergangenen Jahren ging die Tendenz in vielen Städten bekanntlich in Richtung zehn Jahre und mehr, die Gründe sind bekannt und benannt: Die inzwischen erreichte Regulierungsdichte lähmt die Verfahren. Mittlerweile gibt es Begründungen zu Bebauungsplänen, die 500 Seiten umfassen. Die Sorge vor Fehleranfälligkeit und Normenkontrollklagen trägt immer mehr Blüten – beziehungsweise Seiten, mit denen man sich zeitaufwändig absichert.
Mikromanagement, Gesetze, Auflagen
Dass die Mietpreisbremse ganze Investitionsvorhaben gekippt und damit den Neubau abgewürgt hat, ist in der Branche hinreichend bekannt. Viele Investoren haben darauf reagiert und ihre Aktivitäten im Wohnungsneubau oder in der Sanierung eingestellt, weshalb die Fertigstellungszahlen gesunken sind. Umso irritierender ist es, dass die Politik nun ernsthaft über ihre Verlängerung diskutiert. Dass die SoBoN in München Investoren abschreckt, ist ebenfalls nicht neu – dennoch werden die Auflagen für sozial gebundenen Wohnungsbau immer weiter erhöht. Selbst das Baulandmobilisierungsgesetz (in der Branche „Baulandverhinderungsgesetz“ genannt), das dem Namen nach für Erleichterungen und schnellere Prozesse stehen sollte, hat unter anderem die Frist für die Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts verlängert – ein Gesetz, das ursprünglich dafür gedacht war, kritische Infrastruktur in der Hand des Staates zu belassen, das aber als Instrument gegen angebliche Spekulationen immer stärker zweckentfremdet wurde und zu einer Erhöhung der Unsicherheit bei Investoren führte.
Insgesamt ist die deutsche Politik also sehr viel dirigistischer geworden und generell von den Grundsätzen der Marktwirtschaft abgerückt. Statt Erleichterungen für alle gibt es Subventionen für einige. Viele der Unternehmen, die subventioniert werden sollten, würden weder von Banken noch von privaten Investoren eine Finanzierung erhalten.
Die Lösung: Aufklärungsarbeit und klare Aussagen
Ein Positionspapier der Stiftung Marktwirtschaft vom 13. Juli 2024 beginnt mit der Aussage, die Vorstellung, eine Marktwirtschaft könne nur durch staatliche Regulierung zu sozial oder ökologisch verträglichen Ergebnissen führen, beruhe auf dem grundlegenden Missverständnis, ökonomische Effizienz und soziale Gerechtigkeit seien grundsätzlich Gegensätze. Wenn wir zu einem allgemeinen Vertrauen in unsere wirtschaftliche Grundordnung und daraus resultierend auf eine sinnvolle und freiheitsorientierte Wirtschaftspolitik zurückfinden wollen, müssen wir Aufklärungsarbeit leisten.
Die soziale Marktwirtschaft ist weit mehr als nur ein Konzept – sie ist das Fundament des wirtschaftlichen Erfolgs und der gesellschaftlichen Stabilität Deutschlands. Nur wenn wir offen und klar diskutieren und uns auf diese Prinzipien zurückbesinnen, schaffen wir auch in der Immobilienwirtschaft die Grundlage für eine funktionierende wirtschaftliche Basis. Wenn wir zu einem gemeinsamen Verständnis zurückkehren, können private Unternehmen in einer gesunden Kooperation mit der öffentlichen Hand die Wende schaffen und das dringend benötigte zusätzliche Angebot realisieren. Damit bestünde die Chance, dass Angebot und Nachfrage wieder zu einem Gleichgewicht finden. Ganz im Sinne der sozialen Marktwirtschaft.