Die Welt verändern als berufliche „Nebenrendite“

Im Gespräch mit Prof. Dr. Tobias Just FRICS, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter der IREBS Immobilienakademie

Die IREBS bietet an der Universität Regensburg einen Bachelor of Science sowie einen Master of Science im Vollzeitstudium an. Hinzu kommen in der berufsbegleitenden Weiterbildung ein MBA, das Kontaktstudium Immobilienökonomie, das inzwischen 130 Mal durchgeführt wurde, sowie zahlreiche kompakte Intensivprogramme. Warum Tobias Just davon überzeugt ist, dass Immobilienökonomen die Welt verändern können und auch wie „divers“ die Branche seiner Meinung nach ist, erläutert er im exklusiven Interview.

Herr Professor Just, was ist der größte Hebel, um mehr Nachwuchs für die Immobilienwirtschaft zu begeistern?

Wir müssen leider weiterhin gegen ein Bild arbeiten, das in der Öffentlichkeit immer noch viel zu präsent ist. Und zwar gegen das Bild, die Immobilienwirtschaft bestünde aus gierigen Finanzhaien und Maklern. Dies ist ein Zerrbild. Natürlich gibt es solche Akteure, aber sie sind nicht dominierend beziehungsweise nicht einmal tonangebend. Daher müssen wir diesen Zerrbildern starke Darstellungen der Branchenrealität entgegenstellen, die zeigen, wie facettenreich und schöpferisch die Immobilienwirtschaft in Wirklichkeit ist. Menschen, die heute in der Projektentwicklung arbeiten, sprechen nicht umsonst von „ihrem Projekt“. Da ist eine enorme Verbundenheit zur eigenen Arbeit vorhanden, man entwickelt regelrechte Elterngefühle, und das nicht nur als Architekt oder Bauingenieur, sondern in jeder Position – vom Projektmanager über den Asset Manager bis hin zum begleitenden Juristen. Wir alle prägen mit unserem Schaffen den Lebensalltag von Millionen von Menschen. Wir tragen dazu bei, dass die Menschen besser wohnen, shoppen und arbeiten können. Die Akteure in der Immobilienwirtschaft können die Welt nicht nur effizienter, sondern auch sicherer, nachhaltiger und schöner gestalten. Neben der wirtschaftlichen Rendite und dem Arbeitseinkommen ist das eine berufliche Nebenrendite, die einen Menschen motivieren kann und die auch den kaufmännisch geprägten Job als Asset Manager viel attraktiver macht als beispielsweise die reine Verwaltung von Finanztiteln. Wir sollten das alles aber wie gesagt stärker in die breite Öffentlichkeit tragen.

Will man als Erstsemestler an der IREBS denn wirklich Asset Manager werden?

Zu Beginn eines Bachelor-Studiums haben nur wenige den Beruf eines Asset Managers als Lebensziel vor Augen. Viele Studienanfängerinnen und -anfänger interessieren sich für Immobilien, weil sie sie über die gebaute Umwelt wahrnehmen, weil Immobilien für jeden von uns erfahrbar sind. Insbesondere sind die Wohn- und Handelsimmobilien, die wir alle nutzen, in den Köpfen der jungen Menschen präsent. Dass neben dem Erstellen und dem Finanzieren eines Gebäudes das Managen viel dauerhafter ist, wird vielen Studierenden erst im Laufe der Semester deutlich. Auch deshalb ist ein multidisziplinäres Studium wie an der IREBS so wertvoll, weil die Studierenden lernen, eine Immobilie aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten: Jede Immobilie hat technische Aspekte, ist Marktkräften unterworfen und erfordert einen Finanzierungsplan. Ein erfolgreicher Immobilienprofi muss also eine Immobilie gleichzeitig mit den Augen eines Bankers, eines Architekten oder Stadtplaners, eines Ökonomen und eines Juristen anschauen können. Dies lässt viel Raum für unterschiedliche Karrierewege in der Immobilienwirtschaft.

Gilt dieser Perspektivwechsel auch für Immobilienarten wie Gewerbeparks, die beim Nachwuchs weniger präsent sind als Büros oder Wohnungen?

Wir alle machten kürzlich die Erfahrung, dass im Supermarkt plötzlich Mehl und Hefe fehlten. Wir alle stellen fest, wie stark Biotechnologie und Impfstoffe unser Leben beeinflussen können. Seit ungefähr zwei Jahren nehmen wir viele Bereiche in unserem direkten Umfeld anders beziehungsweise bewusster wahr, und dies rückte auch Immobilien aus der Fertigung und Logistik stärker ins Zentrum unserer Betrachtung. Die entsprechenden Nutzungsarten – vom Logistikzentrum bis zur Forschungsimmobilie – finden sich oft genug gemeinsam in modernen, gemischt genutzten Gewerbeparks. Solche Parks stellen spannende Herausforderungen für Immobilienexperten dar. Und ich meine hierbei nicht nur die Neuentwicklung von Gewerbeparks, sondern auch das Refurbishment, die Neugestaltung von Bestandsobjekten. Wie lassen sich brachgefallene Industriegebäude in die Zukunft transferieren? Wie lassen sich Gebäude umnutzen, damit auch im Sinne der Nachhaltigkeit nicht abgerissen werden muss? Wie lassen sich im Bestand die Anforderungen von Biotechnologieunternehmen beispielsweise an die Luftreinheit erfüllen? Für viele junge Frauen und Männer sind diese Fragen der Nachhaltigkeit zurzeit drängender als Fragen nach einem besonders gefragten Wohnungsschnitt.

Apropos Frauen und Männer: Wie ausgeglichen ist die Immobilienwirtschaft in dieser Hinsicht?

Immobilienunternehmen müssen das Thema Diversität unbedingt ernst nehmen, und hiermit ist explizit nicht nur – aber natürlich auch – Chancengleichheit für Frauen und Männer gemeint. Dieses Gebot folgt in erster Linie ethischen Grundsätzen, aber nicht nur. Auch reines Eigeninteresse sollte Unternehmen zu mehr Diversität und Öffnung motivieren.

Wenn wir heute von 100 talentierten und motivierten Menschen vor allem junge weiße Männer aufsteigen lassen, dann verbauen wir uns unser eigenes Potenzial. Auf 88 männliche Führungskräfte in der Immobilienwirtschaft kommen gerade einmal zwölf Frauen. An den Hochschulen werden aber etwa gleich viele Männer und Frauen qualifiziert. Und dabei sehe ich unter unseren Studierenden an der IREBS keinen Unterschied in der Motivation, Begeisterungsfähigkeit und in den Durchschnittsnoten, egal, ob jemand weiblich, männlich, aus der Oberpfalz, Oberitalien oder aus der Gegend am oberen Euphrat kommt. Um voranzukommen, müssen Frauen nicht nur in ihrer eigenen Wahrnehmung, sondern auch in der Wahrnehmung der Männer mehr leisten. Dies haben wir gemeinsam mit der Initiative „FRAUEN !N FÜHRUNG (F!F)“ kürzlich erhoben. Die Immobilienwirtschaft haushaltet nicht gut mit ihren Talenten. Das ist ethisch falsch, demotiviert und kostet damit viel Geld und noch mehr gute Ideen. Deshalb muss die deutsche Immobilienwirtschaft divers sein, und ich bin mir sicher, dass sie das auch in Zukunft immer deutlicher sein wird.