
Märkte & Meinungen
Es gibt immer kluges Geld und weniger kluges Geld
Im Jahrzehnt bis zur Zinswende 2022 gab es einen lang anhaltenden Immobilienboom. Damals war in den Medien oft die Rede davon, es sei keine Blasenbildung erkennbar. Wie würden Sie diese Einschätzung nach der Zinswende einordnen?
Ich hatte bereits vor rund zehn Jahren, im Jahr 2016, in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, dargelegt, dass die von uns allen beobachtete Entwicklung am Immobilienmarkt keine klassische spekulative Blase darstellt. Kommt es zu einer Blasenbildung in einer Assetklasse, so beruht sie auf einer Fehlbewertung fundamentaler Faktoren. Aber das beschreibt die Situation von damals unzureichend. Marktteilnehmer haben auf eine Situation mit niedrigen Zinsen, hohem Wachstum, starker Zuwanderung und zu geringer Bautätigkeit rational reagiert. Das war nur in seltenen Fällen typisches Zocken.
Wer als institutioneller Investor ein gewisses Ausschüttungsniveau erbringen muss, war nicht mehr in der Lage, es über den Anleihemarkt abzubilden. In dieser Situation war es deshalb rational, in die Assetklasse Immobilien zu gehen.
Diese Phase ließe sich als rationale Übertreibung beschreiben: Die Marktakteure reagierten rational auf die fundamental relevanten Anleihezinsen, doch diese Anleihezinsen wurden über Jahre durch die Zentralbanken verzerrt. Man reagierte also rational auf seltsame Daten, und daraus entstand rationaler Überschwang. Hinzu kam, dass sich mit jedem Jahr die Erwartungshaltung künftiger Erträge verschob: „Das wird genauso weitergehen.“ Und damit kroch auch Spekulation in die Preisbildung. Aber der größte Teil der Bewegung hin zu Immobilien war eine rationale Reaktion auf Marktverzerrungen auf den Anleihemärkten.
Kann man sagen, dass die Branche dieses Mal also unterm Strich klüger war und aus der Vergangenheit gelernt hat?
Es gibt immer kluges Geld und weniger kluges Geld – das ist in jeder Krise so, auch in dieser. Wir haben auch jetzt eine ganze Reihe von Unternehmen, die viel Geld verloren haben – schauen Sie sich nur die Insolvenzzahlen in unserer Branche an. Nach Angaben von Destatis meldeten im Jahr 2024 im Baugewerbe 95,3 Unternehmen je 10.000 Unternehmen aus der Branche Insolvenz an – nach dem Bereich Verkehr und Lagerei der zweithöchste Wert im Branchenvergleich. Alle Marktakteure wurden von der Heftigkeit des Zinsanstiegs überrascht, doch einige hatten zuvor besonders aggressiv Grund und Boden erworben oder kurzfristig finanziert; diese traf es dann härter als vorsichtiger Agierende.

Was allerdings anders ist als in der Finanzkrise, ist die vergleichsweise stabile Situation am Arbeitsmarkt. Sie sorgt dafür, dass wir sowohl auf den Wohnungsmärkten als auch im Bürosegment bisher überschaubare Mietausfallrisiken haben.
Und der zweite Punkt betrifft die Banken: Die Kreditinstitute sind heute strammer reguliert als vor der Finanzkrise. Heute ist deutlich mehr Eigenkapital im System und dementsprechend ist eine Finanzkrise à la 2008 / 2009 diesmal weniger wahrscheinlich. Diese Vorsicht der Banken ist aber nicht nur eine Reaktion auf die strengere Bankenregulierung, viele Banken haben ihre eigenen Lehren aus der Krise vor 15 Jahren gezogen und in Prozesse und Expertise investiert.
Allerdings gibt es auch Aspekte der Regulierung, bei denen übers Ziel hinausgeschossen wurde. Das eine ist der antizyklische Kapitalpuffer. Er ergibt Sinn, um vor einer Überhitzung zu bewahren. Aber wenn die Überhitzung bereits in eine Unterkühlung gedreht hat, dann kommt er zu spät und verstärkt die Rezession.
Der andere Aspekt ist der sektorale Kapitalpuffer, der ungefähr zur selben Zeit eingeführt wurde, in der wir in die Krise gegangen sind. Er wurde für das Segment Wohnen eingeführt, also ausgerechnet für jene Assetklasse, bei der es die geringsten Mietausfallrisiken gibt. Über das Segment Wohnen mache ich mir die allerwenigsten Sorgen. Es ist daher richtig, dass die BaFin diesen wohnspezifischen Risikopuffer um immerhin 100 Basispunkte gesenkt hat.
Wenn wir den Blick in die Zukunft richten, welche Themen sehen Sie auf uns zukommen?
Das von der neuen Bundesregierung angestoßene Sondervermögen von 500 Mrd. Euro für Infrastruktur und Militär eröffnet Möglichkeiten, auch privates Kapital an den notwendigen Investitionen stärker einzubeziehen. Diese Option wird zurzeit zu wenig diskutiert. Hier brauchen wir meiner Ansicht nach mehr Kreativität.
Kreativität? Inwiefern brauchen wir mehr Kreativität?
Nun, wir haben in Deutschland eine – zumindest in Teilen – hausgemachte Misere: Wir haben jahrzehntelang zu wenig in Infrastruktur und Bildung investiert und zu lange an unseren gewohnten bürokratischen Prozessen festgehalten. Es wird uns nicht gelingen, diese bürokratischen Prozesse von heute auf morgen durch effiziente, digitale Prozesse zu ersetzen. Um eine große ökonomische Wirkung zu erzielen, wäre es sinnvoll, das öffentlich bereitgestellte Kapital als Hebel für privates Anlagekapital zu nutzen. Investoren suchen nach langfristigen, stabilen Anlagemöglichkeiten. Infrastruktur, nicht nur Verkehrsinfrastruktur, sondern auch soziale Infrastruktur, bietet in vielen Fällen diese Auszahlungssicherheit. Deshalb müssen wir dort, wo es möglich ist, kreative neue Wege gehen, um öffentliches und privates Kapital zusammenzuführen – oder privates Know-how mit öffentlichem Kapital. So können wir private Investoren in Form von Public-Private-Partnerships in die Sanierung der Infrastruktur einbinden. Dadurch sind wir in der Lage, der öffentlichen Hand fertige Gebäude mit verkürzten Bauzeiten zur Verfügung zu stellen. Ich denke hier an Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene – nicht nur im Bildungsbereich, sondern auch beim Bau und Betrieb von städtischer Infrastruktur wie Schwimmbädern und Verwaltungsgebäuden.