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„Hamburg-Standard“ – Hoffnungsträger für bezahlbaren Wohnraum
Der Wohnungsbau in deutschen Großstädten steht unter enormem Preisdruck. Steigende Baukosten und langwierige Genehmigungsprozesse belasten Kommunen und private Projektentwickler. Besonders in Metropolen wie Hamburg ist die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum so hoch wie nie. Doch wie kann diesem Bedarf begegnet werden, ohne bei Qualität und Nachhaltigkeit Abstriche zu machen? Eine vielversprechende Antwort liefert die Initiative „Kostenreduziertes Bauen“ mit dem sogenannten Hamburg-Standard. Das Ziel besteht darin, die Baukosten deutlich zu senken und dabei ein Modell zu schaffen, das auch für andere Städte in Deutschland Vorbild sein könnte.
Die Grundidee des „Hamburg-Standards“
Der „Hamburg-Standard“ verfolgt einen zugleich pragmatischen und ambitionierten Ansatz: Durch reduzierte Bauanforderungen und optimierte Planungsprozesse sollen bis zu 2.000 Euro brutto pro Quadratmeter Wohnfläche eingespart werden. Dabei wird jedoch nicht auf grundlegende Anforderungen an die Nutzerqualität oder die Nachhaltigkeit verzichtet. Vielmehr geht es darum, kostentreibende Vorschriften und Standards kritisch zu hinterfragen und anzupassen, um ein zukunftsfähiges und dennoch bezahlbares Bauen zu ermöglichen.
Die Initiative zur Einführung dieses Modells konzentriert sich auf drei wesentliche Handlungsfelder: kostengünstige Baustandards, optimierte Planung und Prozesse sowie beschleunigte Genehmigungsverfahren.
Mehr Flexibilität bei den Vorschriften
Das erste Handlungsfeld setzt bei den technischen Bauanforderungen an. Sie sind häufig kostenintensiv, nicht nutzerzentriert und werden allzu oft durch die Industrielobby vorangetrieben. In Zusammenarbeit mit Architekten und Ingenieuren wurden konkrete Vorschläge erarbeitet, um diese überbordenden Standards zu identifizieren. Ein Beispiel hierfür sind überdimensionierte Dämmstärken oder unnötig technisierte und komplexe Lüftungssysteme. Sie bieten in vielen Fällen keinen echten Mehrwert für die Nutzer, verursachen jedoch hohe Kosten bei der Herstellung und teilweise auch beim Betrieb und verbessern die Nachhaltigkeit des Objekts nur marginal.

Ein zentrales Thema des „Hamburg-Standards“ ist auch die kritische Auseinandersetzung mit überhöhten energetischen Standards wie dem Effizienzhaus 40. Viele Experten sind sich einig, dass er nicht immer ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Folge: Häuser werden überdämmt, Baukosten steigen. Der „Hamburg-Standard“ plädiert daher für eine differenzierte Betrachtung der energetischen Anforderungen, um eine Balance zwischen Nachhaltigkeit und Kosten zu finden.
Auch bauliche Vereinfachungen bieten Einsparpotenziale. Tiefgaragen etwa verursachen hohe Baukosten und sollten daher nur dort entstehen, wo sie städtebaulich oder funktional notwendig sind. Auch der gestalterisch abgewogene Verzicht auf Kubaturversprünge trägt zur Kostenersparnis bei. Die Reduktion auf das Wesentliche bedeutet nicht automatisch Verzicht, sondern Effizienzsteigerung. Dieses bewusste und ressourcenschonende Planen und Bauen ist kein neues Konzept, sondern eine bewährte Praxis vorheriger Generationen, die es wiederzuentdecken und umzusetzen gilt.
Effizienz als Schlüssel: Planung und Ausführung neu denken
Neben der technischen Ebene ist die Optimierung der Planungsprozesse ein zentrales Element. Im Fokus steht dabei das bewährte Modell der frühzeitigen Einbindung von Bauunternehmen in Form von Bauteams. Durch diese enge Zusammenarbeit lassen sich Synergien gezielt nutzen und zeit- und kostenintensive Planungsschleifen im späteren Projektverlauf vermeiden.
Eine neue Kultur der Zusammenarbeit
Die dritte Säule des „Hamburg-Standards“ betrifft die Genehmigungsverfahren. Ziel ist eine frühzeitige, regelhafte und partnerschaftliche Einbindung der Verwaltung, um ein gemeinsames Verständnis der Projektziele zu schaffen. Konkret umfasst dies Gespräche mit der Bauverwaltung in der sogenannten Phase 0, Antragskonferenzen noch vor Einreichung eines Bauantrags sowie Genehmigungskonferenzen unmittelbar nach Antragstellung. Eine serviceorientierte Verwaltung – wie sie in einigen Bezirken bereits gelebt wird – soll damit zum Standard werden. Ein hoher Abstimmungsgrad von Beginn an trägt dazu bei, spätere Verzögerungen zu vermeiden, und leistet einen wichtigen Beitrag zur Begrenzung von Kostensteigerungen.

Modellcharakter über Hamburg hinaus
Der Erfolg des „Hamburg-Standards“ könnte auch über die Grenzen der Stadt hinaus eine Vorbildfunktion für andere Kommunen und Städte in Deutschland übernehmen. Doch klar ist auch: Die Umsetzung ist kein Selbstläufer. Sie erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren, den Mut, bestehende Vorschriften anzupassen, sowie eine gemeinsame Haltung zugunsten kostengünstigen Bauens. Schließlich ist allen Beteiligten bewusst, dass bezahlbares Wohnen zu den drängendsten sozialen Themen unserer Zeit gehört und eine hohe politische Sprengkraft besitzt.
Die angestrebte Reduzierung der Baukosten um bis zu 2.000 Euro brutto pro Quadratmeter Wohnfläche ist zwar ehrgeizig, aber keineswegs unrealistisch. Dass der „Hamburg-Standard“ zur Blaupause für andere Städte werden könnte, deutet sich bereits jetzt an, denn das Interesse an der Arbeit dieser Initiative ist bundesweit sehr hoch. Fest steht: Er liefert einen konkreten und praxisnahen Beitrag zur Diskussion über bezahlbaren und qualitätsvollen Wohnraum in Deutschland.