Märkte & Meinungen
„Jetzt tut alles doppelt weh“
Herr Dr. Adenauer, wie viel Verantwortung tragen die Immobilienunternehmen, die heute in der Krise stecken, eigentlich selbst?
Jeder ist seines Glückes Schmied. Eine Marktveränderung war allein aus dem konjunkturellen Auf und Ab zu erwarten. Es war vielen bewusst, dass irgendwann eine Zinswende eintreten könnte – unklar war lediglich der Zeitpunkt und überraschend für alle, auch für uns, die beispiellose Geschwindigkeit, mit der sie dann vonstattenging.
Wir hatten uns zuvor aus allgemeiner kaufmännischer Vorsicht durch höheres Eigenkapital, erhöhte Liquidität und einige Forward Sales auf möglicherweise schwerere Zeiten vorbereitet. Gleichwohl trifft uns die Liquiditätsverknappung natürlich auch, genauso wie jeden anderen Player am Markt, selbst den, der ebenfalls vorgesorgt hatte. Der Mangel an Transaktionen zwingt uns dazu, Strategien für Bestandsimmobilien und Grundstücke zu entwickeln. Wir und viele andere konzentrieren uns daher auf Umnutzung, um Immobilien weiterhin kapitaldienstfähig zu halten.
Darüber hinaus haben wir uns, wie viele andere auch, als Service-Developer positioniert, um für Investoren-Kapitalgeber gestrandete Projekte von dritten Entwicklern zuverlässig und ordentlich zu Ende zu bringen. Ein Beispiel ist das „Laurenz Carré“ in Köln direkt am Dom, das wir als Service-Developer und Generalunternehmer mit unseren Spezialisten weiterführen. Ich befürchte allerdings, dass wir in den nächsten zwölf Monaten hierzulande noch einige Projekte in Schieflage sehen werden.
Welcher Anteil der Krise entfällt auf die von der Politik vorgegebenen Rahmenbedingungen?
Klaus von Dohnanyi, ehemaliger Bürgermeister von Hamburg, hat einmal gesagt, dass wir in einem komplexen System organisierter Verantwortungslosigkeit leben. Da ist etwas dran – es muss sich nun endlich etwas ändern. Reformieren müsste man beispielsweise die Energiepolitik, die viel zu hohe Energiekosten mit sich bringt und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes gefährdet. Auch das Baugesetzbuch muss dringend überarbeitet werden, damit die Genehmigungsprozesse endlich schneller gehen. Natürlich wird jetzt der Bauturbo als Änderung im Baugesetzbuch diskutiert, aber er stößt auf erheblichen Widerstand und steht bereits vor seiner Einführung auf wackligen Beinen. Und selbst wenn der Bauturbo kommt, droht das Europarecht, ihn sofort wieder zu kassieren – das wäre im Baugesetzbuch bekanntlich nicht das erste Mal, dass eine bedeutende Regelung zur Beschleunigung von der Europäischen Union gekippt wird. Oder nehmen wir die Überregulierung der Wohnungsmärkte durch die Mietdeckelung. Während des Booms konnte der Markt das noch weitgehend verkraften. Jetzt tut alles doppelt weh.
Wie sollte jetzt gegengesteuert werden?
Der wirtschaftliche Tiefpunkt ist zweifellos auch auf politische Entscheidungen zurückzuführen. Gleichzeitig hat die Politik jedoch die Möglichkeit, mit gezielten Maßnahmen gegenzusteuern. Beispielsweise könnte der Staat, wenn er Mietsteigerungen begrenzt, selbst investieren und so den Druck vom Markt nehmen. Und wieder viel mehr privates Kapital anziehen.
Um die Investitionsbereitschaft zu fördern, müssen die steuerlichen Rahmenbedingungen, zum Beispiel in Form von heftigeren Sonderabschreibungen, attraktiver gestaltet und der Wirtschaft muss mehr Freiraum für eigenständiges Handeln gewährt werden. Letzteres ist, auch wenn es keine unmittelbaren monetären Effekte hat, aus meiner Sicht sogar der entscheidendere Aspekt. Und auch eine Sonderabschreibung bedeutet nur eine Liquiditätsverschiebung für die Steuereinnahmen, sie sind kein Steuernachlass. Die Politik kann viel bewirken, indem sie durch weniger Regulierung eine positive Grundstimmung schafft. Also bitte keine Resignation. Es zeigt sich bereits heute, dass sich Dinge bewegen lassen, wenn alle an einem Strang ziehen.
Zum Beispiel?
Ich habe vorhin das „Laurenz Carré“ angesprochen. Da haben alle Beteiligten aufgrund der prominenten Lage direkt am Kölner Dom erkannt, dass es sehr schnell weitergehen muss, nachdem die Entwicklung stockte. In diesem Fall ging dann wirklich alles sehr schnell: Alle Verträge wurden in Rekordzeit überarbeitet und die Regelungen angepasst. Alle waren hoch kooperativ, was zeigt, zu welcher Geschwindigkeit wir in Deutschland fähig sind, wenn eben alle an einem Strang ziehen.
Wie steht es um Innovationen wie das serielle Bauen – wurde da der Knoten schon durchschlagen?
Unser Projekt Greenpark in Berlin realisieren wir gemeinsam mit Goldbeck in serieller Bauweise. Das Thema wird in der Branche viel diskutiert. In der Praxis bleibt dies jedoch oft nur ein Buzzword, das selten tatsächlich umgesetzt wird. Es besteht ein großer Unterschied zwischen den Erwartungen und dem, was letztendlich auf den Baustellen realisiert wird. Vielleicht auch, weil wir es da ebenfalls mit dem zu starren Bau- und Planungsrecht zu tun haben, das zusätzlich in jeder Stadt auf lokale Besonderheiten trifft. Bei unserem Greenpark in Berlin konnten wir die serielle Bauweise nur deshalb umsetzen, weil die Gebäudekubaturen beziehungsweise Bauvolumina, die sich aus den möglichen Grundrissen ergaben, den Vorgaben des dort bestehenden Bebauungsplans entsprachen. Hätten wir ein Änderungsverfahren durchlaufen müssen, wären womöglich gleich wieder ein paar Jahre vergangen, bevor wir überhaupt hätten beginnen können. Übrigens ist nicht immer nur das Baurecht verantwortlich für die Verzögerungen, sondern auch der Widerstand aus der Bevölkerung im Rahmen von Beteiligungsverfahren. „Not in my backyard“ ist ein Phänomen, das sich vielerorts in Deutschland hält. Man unterstützt den Bau neuer Wohnungen – solange sie nicht in der eigenen Nachbarschaft entstehen.
Ihr Fazit und Ausblick?
Ausländische Immobilienanleger beobachten den deutschen Markt schon seit einiger Zeit sehr genau und suchen nach attraktiven Investitionsmöglichkeiten, da sie spüren, dass es wirtschaftlich wieder bergauf gehen könnte. Allerdings sind sie noch zurückhaltend, da sie die deutsche Politik zurzeit für dysfunktional halten. Vor allem große deutsche Family Offices, die über erhebliche Kapitalreserven und fundierte lokale Marktkenntnisse verfügen, kehren zunehmend zurück und kaufen in sehr guten Lagen zu günstigen Preisen – in Erwartung, dass sich die Bewertungsgrundlagen bald wieder verändern könnten. Es gibt also wieder etwas mehr Bewegung am Markt. Das gilt weniger für Büroimmobilien, wohl aber für preisgünstige Wohnimmobilien. Wenn die Politik nun ebenfalls handelt und endlich für bessere Rahmenbedingungen sorgt, kann bald auch der dringend benötigte Wohnraum geschaffen werden. Das dafür erforderliche Kapital ist am Markt vorhanden, es muss lediglich nach Deutschland fließen und gezielt in die richtigen Projekte investiert werden.