Märkte & Meinungen
Trendwende in Sicht? Neue Perspektiven für Investments in Logistikimmobilien
Herr Dr. Linsin, wie begründet sind die Hoffnungen einer mittelfristigen Marktbelebung?
Wir beobachten, dass sich die Logistik- und Immobilienmärkte erholen. Obwohl die Marktdynamik noch spürbar unter dem zweiten Halbjahr 2023 lag, erreichte das Transaktionsvolumen im ersten Quartal 2024 1,48 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahresquartal ist das ein Zuwachs von 42 Prozent. Bestimmt wurde das Transaktionsgeschehen vor allem von Großtransaktionen mit mehr als 100 Millionen Euro. Denn in den ersten drei Monaten 2024 gab es sechs dieser Transaktionen mit zusammen mehr als 900 Millionen Euro – Anfang 2023 gab es lediglich eine Transaktion dieser Größenordnung. Auch der Anteil internationaler Investoren stieg von 29 auf 77 Prozent deutlich an. Die Märkte dürften also weiterhin Erholungstendenzen zeigen – auch wenn eine neue Boomphase kurz- bis mittelfristig eher unwahrscheinlich ist.
Was reizt Investoren derzeit an Logistik- und Industrieimmobilien besonders?
Wir erleben momentan nicht nur bei den großen Fondsmanagern eine starke Tendenz, über Assetklassen hinweg zu diversifizieren. Besonders diejenigen Marktteilnehmer, die bisher überwiegend Büro- oder Handelsimmobilien im Portfolio hatten und nun von den spezifischen Herausforderungen für diese Assetklassen betroffen sind, interessieren sich stark für Logistikobjekte. Unser Investor Intentions Survey unterstreicht diese Vermutung: Während Wohnimmobilien die bevorzugte Assetklasse deutscher Investoren sind, gewinnen Logistik- und Industrieimmobilien weiter an Beliebtheit. Der Anteil der Befragten mit Interesse an dieser Assetklasse stieg von 17 Prozent im Jahr 2022 auf 27 Prozent im Jahr 2024. Im europäischen Kontext stechen Logistik- und Industrieimmobilien sogar noch deutlicher hervor, mit über einem Drittel der Befragten, die angeben, ihre Aktivitäten in diesem Bereich ausweiten zu wollen.
Im Jahr 2023 waren Entwickler und Bauträger sehr zurückhaltend – vor allem im Ankauf. Bleibt das auch 2024 so?
Entwickler stehen zurzeit vor einer besonderen Herausforderung: Die Kombination aus wenigen Grundstücken, verbunden mit relativ hohen Grundstückspreisen, und hohen Finanzierungskosten ist sehr ungünstig. Insbesondere spekulative Entwicklungen sind dadurch quasi vollständig zum Erliegen gekommen. Für die erste Hälfte des Jahres 2024 erwarten wir daher eine weiterhin zurückhaltende Aktivität der Entwickler und Bauträger. Für die zweite Jahreshälfte erwarten wir hingegen eine Belebung der Transaktionsmärkte, die zunächst von großen, global agierenden Fondsmanagern ausgelöst werden dürfte. Im ersten Quartal 2024 sorgten großvolumige Portfoliotransaktionen ausländischer Investoren für einen positiven Jahresauftakt am deutschen Industrie- und Logistikimmobilienmarkt. Es ist zu erwarten, dass dies einen Dominoeffekt bei den anderen Marktakteuren auslöst, der sich letztlich auch positiv auf die Entwickler auswirken wird. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass große Investoren und Projektentwickler verstärkt in Joint Ventures zusammenarbeiten, um Immobilienprojekte zu realisieren. Diese Partnerschaften ermöglichen, die finanziellen Mittel der Investoren mit der Expertise der Entwickler zu kombinieren.
Wie sollten langfristig positionierte Entwickler vor diesem Hintergrund am besten agieren?
Wenn es um Verkäufe geht, kann eine abwartende Haltung jetzt durchaus ratsam sein. Besonders nicht transaktionsgetriebene Marktakteure können die bevorstehende Bodenbildung abwarten und anschließend agieren. Der Markt, insbesondere der Logistiksektor, könnte noch leichte Korrekturen erfahren. Trotz geringer Qualitätsunterschiede zwischen Immobilien in verschiedenen Regionen, wie etwa dem westlichen Nordrhein-Westfalen und dem östlichen niederländischen Staatsgebiet, bestehen teilweise noch erhebliche Rendite-Spreads.
Und in Bezug auf neue Akquisitionsvorhaben?
Was die Käuferseite betrifft, ist es zurzeit natürlich möglich, sich gezielt vor dem Markt zu positionieren. Besonders diejenigen Käufer mit etablierten Marktzugängen und ausreichend Eigenkapital könnten sich jetzt bewusst dafür entscheiden, nicht auch noch die letzten Nachkommastellen an Zusatzrendite mitzunehmen – sondern stattdessen zu handeln. Wichtig dabei ist aber auch, nicht allein auf die vergangenheitsorientierten Bewertungsrenditen zu schauen, die deutlich unterhalb der tatsächlichen Werte liegen und somit Objekte unattraktiver erscheinen lassen, als sie sind. Die tatsächlichen Investitionsrenditen liegen zurzeit in Einzelfällen sehr viel höher, was dementsprechend einen Einstieg umso attraktiver machen kann.
Welche anderen Handlungsoptionen gibt es?
Ein weiterer gangbarer Weg besteht darin, sich – soweit vorhanden – auf den eigenen Bestand zu konzentrieren und vorrätige Grundstücke zu entwickeln beziehungsweise bestehende Immobilien gezielt aufzuwerten. Solche Investitionen bieten die Chance, Flächen zu relativ günstigen Bedingungen auf den Markt zu bringen – die in wirtschaftsstarken Regionen auch durchaus absorbiert werden. In jedem Fall können Entwickler, die jetzt handeln, davon profitieren, dass die Projektpipeline in den Jahren 2025 und darüber hinaus weitgehend leer sein wird.
Welche Auswirkungen hat die Flächenknappheit auf die Logistik?
Die Logistiknutzung wurde in der Vergangenheit oft von vermeintlich cashflow-stärkeren Nutzungsarten verdrängt, insbesondere Wohnen, Büro und neuerdings Data-Center, vor allem in dynamischen Märkten wie Frankfurt. Die Folge: Es gibt fast keine Industrie- und Logistikflächen mehr, was wiederum deren Mietniveaus in die Höhe schnellen lässt. Mittel- bis langfristig wird es entscheidend sein, Industrie und Produktion wieder stärker in den Fokus zu rücken, um den Bedarf an geeigneten Flächen zu decken und eine nachhaltige Entwicklung des Logistiksektors zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund gewinnen auch Brownfields weiter an Bedeutung.
Wie werden sich die wirtschaftlichen Fundamentaldaten auf die Entwicklung der Transaktionsmärkte auswirken?
Ein Blick auf die Wirtschaftslage stimmt vorsichtig optimistisch. Die rückläufigen Inflationsraten deuten darauf hin, dass die EZB in einer ihrer nächsten Sitzungen eine Zinssenkung beschließen könnte. Darüber hinaus sprechen weitere Entwicklungen wie die Verlangsamung der Bilanzverkürzungen (Quantitative Tightening) dafür, dass die Fremdkapitalbeschaffung generell wieder etwas günstiger werden könnte. Ein mögliches „soft landing“ in den USA und die Aussicht auf eine gelockerte Zinspolitik könnten positive Signale für den globalen und damit auch den deutschen Logistikimmobilienmarkt setzen. Auch wenn die Herausforderungen bestehen bleiben, könnten sich mit einer Verbesserung der makroökonomischen Rahmenbedingungen neue Chancen für den Logistikimmobilienmarkt ergeben. Schließlich darf aber auch nicht vergessen werden, dass die Nutzerbranchen durch das hohe Zinsniveau ebenfalls stark eingeschränkt sind und Flächenerweiterungen oder -verlagerungen vorerst auf Eis gelegt wurden. Wenn die Kredite wieder günstiger werden, könnte auch der „Hunger“ nach neuen Flächen wieder wachsen, was wiederum eine solide Basis für größere Entwicklungsvolumina und mehr Transaktionen auf dem Markt darstellen kann.