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Pssssst!

Warum Verschwiegenheit eine Tugend bei Immobilienverkäufen sein kann

Portraitbild von Hartmut A. Glück, Leiter Transaktionsmanagement
Beitrag von Hartmut A. Glück, Leiter Ankauf bei Aurelis Real Estate

„Diskrete Transaktion“ – der Begriff mag zunächst Bilder von dunklen Hinterzimmern erwecken, in denen halbseidene Machenschaften ausgehandelt werden.

Tatsächlich finden jedoch viele Immobilientransaktionen völlig legal und aus guten Gründen unter Ausschluss einer breiten Öffentlichkeit statt.

Mehr noch: In einigen Fällen kann ein hohes Maß an Diskretion – durch gezielte Ansprache einzelner Kaufinteressenten in Verbindung mit Verschwiegenheitserklärungen – zu einem Erfolgsfaktor für den Verkauf werden.

Diskretion bei Immobilientransaktionen hat nichts mit dubiosen Hinterzimmergeschäften zu tun

Dies ist inzwischen auch von Immobilieninvestoren und -verkäufern bestätigt. Die Off-Market-Studien, die regelmäßig von HPBA und Bulwiengesa veröffentlicht werden, zeigen: Es kann zahlreiche Vorteile haben, Immobilien exklusiv oder durch gezielte Ansprache wenigen Marktteilnehmern anzubieten, anstatt zu einem öffentlichen Bieterverfahren aufzurufen. Diese sogenannten Off-Market-Transaktionen sind der Studie zufolge nicht nur diskreter, sondern auch in ihrer Abwicklungssicherheit erfolgreicher als konventionelle Methoden. In der aktuellen Studienausgabe sprachen sich beinahe 74 Prozent aller Befragten zudem dafür aus, dass Diskretion in Zeiten von Corona nochmals an Relevanz für Off-Market-Transaktionen gewonnen habe.

Bieterverfahren oder Exklusivansprache?

Dabei muss erwähnt werden: Gerade bei der Transaktion von unternehmenseigenen Immobilien ist die Begrifflichkeit „off-market“ oft nicht eindeutig, da ohnehin nur wenige potenzielle Käufer auf Unternehmensimmobilien oder generell auf Objekte mit großem Logistik- und Industrieflächenanteil spezialisiert sind. Zudem wird die Wendung sehr häufig als Marketingslogan verwendet. Dennoch kann zwischen exklusiven, diskreten Ansprachen und einem formalisierten, öffentlichen Bieterverfahren unterschieden werden.

Ein mögliches Problem bei der Ansprache weniger Akteure besteht darin, dass gerade bei einzigartigen und komplexen Produktions- oder Industrieimmobilien, die schwer zu bewerten sind, teilweise deutlich unterschiedliche Preisvorstellungen existieren. Hält man den Kreis der angesprochenen Investoren klein, riskiert man, dass ein Bieter nicht dabei ist, der möglicherweise ein noch höheres Gebot abgegeben hätte. Ein Vorteil der gezielten Ansprache wiederum ist: Man erreicht Kaufinteressenten, die sonst nicht mit im Rennen wären. Denn der aktuellen Off-Market-Studie zufolge gibt es immer wieder Käufer, die Bieterverfahren kategorisch ausschließen, weil sie zu lange dauern und der Zuschlag bei einem großen Interessentenkreis ungewisser ist. Derartige Käufer erreicht man also nur durch die gezielte Ansprache.

In Zeiten von Corona hat Diskretion noch mal an Relevanz gewonnen.

Hartmut A. Glück, Leiter Ankauf bei Aurelis

Eine Frage der Komplexität

Interessant ist auch der Trend, dass sich immer mehr Investoren in die Bereiche Logistik und Industrie vorwagen, die vor wenigen Jahren noch „altbewährte“ Assetklassen bevorzugt haben. Sie dürften in vielen Fällen konservativ bewerten, sodass von ihnen bei einer breiten Bieterbasis nicht unbedingt Höchstwerte zu erwarten sind. Die Patrizia AG führt in einem Artikel aus dem Jahr 2017 an, dass öffentliche Bieterverfahren vor allem dann riskant seien, wenn die gehandelten Immobilien baulich oder rechtlich besonders komplex sind beziehungsweise wenn ein Paket von mehreren Immobilien in unterschiedlichen Stadien des Lebenszyklus veräußert werden soll. In diesem Fall ist es besonders wichtig, einen geeigneten Käufer zu finden – und die diskrete Direktansprache kann schneller zum Erfolg führen.

Wenn der Kaufgegenstand komplex ist, braucht es Spezialkenntnisse

Die Frage des Komplexitätsgrads ist also äußerst relevant: Eine voll ausgebaute Halle, die einer einfachen Lagernutzung dient, erfordert keinen allzu hohen Managementaufwand, weshalb die Zahl möglicher Käufer relativ groß ausfallen kann. In dieser Situation könnte ein Bieterverfahren das Mittel der Wahl sein. Bei sehr komplexen Immobilien hingegen können während des gesamten Verkaufsprozesses Komplikationen auftreten – die bei einem nicht-spezialisierten Höchstbietenden schlimmstenfalls dafür sorgen können, dass die Transaktion abgesagt wird.

Warum ist Diskretion so wichtig?

Nicht nur das Transaktionsmodell ist in vielen Fällen wichtig, sondern auch der bloße Fakt, dass ein Verkauf in der Öffentlichkeit bekannt wird – oder eben nicht. Für Mittelständler und Corporates können beispielsweise in einer diskreten Ansprache von nur wenigen Interessenten mögliche Reputationsschäden vermieden werden. Würde beispielsweise öffentlich, dass ein Unternehmen Teilbestände verkauft, sorgt dies angesichts der aktuellen Corona-Rezession womöglich für Verunsicherung bei der Belegschaft, dem geschäftlichen Umfeld und der Kommunalpolitik. Die Verkäufe könnten mit einer Schieflage des Unternehmens in Verbindung gebracht werden – auch wenn dies gar nicht der Fall ist. Schließlich ist es eine gängige und sinnvolle Praxis, die eigene Immobilienquote zu reduzieren und damit Kapital freizusetzen, beispielsweise für Forschung, künftige Innovationen oder neue Produktionsmittel.

Mitunter ist Diskretion entscheidend für den erfolgreichen Geschäftsabschluss

Manchmal sollen auch die Wettbewerber nicht sofort erfahren, dass einem Unternehmen mittels Immobilienverkauf frisches Kapital zur Verfügung steht. Oder schlimmer noch: Der Konkurrent bietet selbst um die Immobilien mit. Und manche Unternehmen möchten nach dem Kauf einen Teil der Immobilie zurückmieten, sich dafür ihren Partner aber gezielt aussuchen.

Ein zusätzlicher Grund, den sowohl die Off-Market-Studien als auch Patrizia für Diskretion und gezielte Ansprachen nennen, behandelt folgendes Szenario: Eine Immobilie wird öffentlich angeboten, erreicht aber nicht den gewünschten Verkaufspreis, weil zu wenige Akteure mitbieten. In diesem Fall ist es unwahrscheinlich, dass sie in einer zweiten oder dritten Runde zu idealen Konditionen veräußert werden kann. Sollte hingegen eine exklusive oder co-exklusive Ansprache fruchtlos bleiben, bietet sich immer noch der Schritt in die Öffentlichkeit an.

Finanzierbarkeit sicherstellen

In der aktuellen Marktlage kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu, der für die gezielte Ansprache im Unterschied zum Bieterverfahren spricht: Viele Transaktionen können nicht oder nur verzögert umgesetzt werden, weil die Finanzierung von Gewerbeimmobilien aktuell eingeschränkt ist. Gerade wenn es sich um Value-Add-Immobilien handelt, also Areale mit Instandhaltungsstau oder Teilleerständen, gibt es für Käufer kaum noch die Möglichkeit, ihr Investment zu den gängigen Konditionen vor der Corona-Pandemie finanzieren zu lassen. Die Banken haben ihre Margen erhöht – oder aber verlangen zur Risikobegrenzung einen größeren Eigenkapitalanteil vom Käufer.

Banken erwarten zurzeit einen höheren Eigenkapitalanteil vom Immobilienkäufer

Für Verkäufer – beziehungsweise die beauftragten Makler – bietet es sich daher an, die infrage kommenden Kaufinteressenten unter diesen Aspekten eingehend zu prüfen. Langfristig orientierte Bestandshalter können in vielen Fällen eine belastbarere Kapitalbasis vorweisen als Projektentwickler mit einem sehr kurzen Anlagehorizont, die ihre Immobilien zum frühestmöglichen Zeitpunkt wieder veräußern. Und Unternehmen, die einen langfristigen, erfolgreichen Track Record mit Value-Add-Projekten vorweisen können, haben zudem mit ihren Finanzinstituten Partner, die auch komplexe Projekte einschätzen können.

Letztlich ist die Liste der Kriterien, die für oder gegen eine diskrete Exklusivansprache sprechen können, sehr lang. Das Bild vom zwielichtigen Hinterzimmer ist jedoch auf alle Fälle falsch, denn in Sachen Legalität ergeben sich zwischen „öffentlich“ und „diskret“ keinerlei Unterschiede.