Mann hält Lupe vor sein Gesicht

Wenn Expansion auf ESG trifft

Portraitfoto Andreas Schulten, bulwiengesa
Beitrag von Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter, bulwiengesa AG

Über den Tellerrand: Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, muss das Thema Nachhaltigkeit bei Immobilien auch im globalen Kontext betrachtet werden.

Es ist wie bei so vielen Themen in der Immobilienwirtschaft: Bei den Diskussionen um die drei Buchstaben E, S und G stehen einige Themen derart im Fokus, dass man sich bei aller Bedeutung inzwischen genervt fühlen mag. Bei anderen Bereichen erkennen wir hingegen, wie viel Nachholbedarf wir haben und dass wir dringend intensiver miteinander reden müssen.

Und dann gibt es da noch die Nachhaltigkeitsaspekte, die bislang völlig zu fehlen scheinen. Einer dieser wenig beachteten Zukunftsaspekte besteht meiner Meinung nach darin, wie sich die stetig zunehmenden ESG-Richtlinien auf die Unternehmensexpansion der deutschen Marktakteure auswirken werden. Gerade in einer Marktlage, in der Portfolios immer paneuropäischer ausgerichtet sind, wird diese Frage hochrelevant.

„Mittelfristig wird ESG auch zum wichtigen Kriterium für die Expansion deutscher Immobilienentwickler beziehungsweise für die Markteintritte von Investoren.“

Ich bin mir vollkommen sicher: Mittelfristig wird ESG auch zum wichtigen Kriterium für die Expansion deutscher Immobilienentwickler beziehungsweise für die Markteintritte von Investoren. Es geht nicht mehr nur um das Standortpotenzial und die Arbeitskräfteverfügbarkeit, sondern auch um die Frage, welche ökologischen und gesellschaftlichen Nachhaltigkeitsstandards den Standort prägen. Schließlich müssen sich die Akteure nicht nur anhand ihrer deutschen, sondern auch ihrer internationalen Projekte messen lassen.

Was die einzelnen Länder betrifft, zeigen sich zumindest beim sehr groben Blick starke Unterschiede. Die „grünen Weltmeister“ Europas sind unter anderem in Skandinavien zu finden, aber auch in den Benelux-Ländern. Deutschland gehört übrigens auch zur europäischen Spitze, der Städtebau inklusive Denkmalschutz trägt viel Positives dazu bei. Ein Gegenbeispiel ist Spanien – dort könnte es in den kommenden Jahren zu einem Wirtschaftsboom kommen, aber unter ESG-Gesichtspunkten ergeben sich allein in der Vegetationsbalance Defizite und damit auch Aufgaben bei der Ressourceneffizienz im Bau. Auch Tschechien und Polen sind aus wirtschaftlicher Sicht reizvoll, aber es müssen noch einige Grundlagen in Sachen Nachhaltigkeit – besonders im Energiesektor – geschaffen werden.

Ob und wie diese stark pauschalisierenden Aussagen einem Markteintritt im Weg stehen, wird sich zeigen. Vielleicht wird eine eher schlechte Ausgangslage sogar dafür sorgen, dass „grüne Marktnischen“ entstehen und genutzt werden – zum Beispiel, indem gezielt nach den hohen deutschen Baustandards entwickelt wird. Die Frage besteht allerdings darin, ob sich ein solcher Ansatz aus wirtschaftlicher Sicht lohnen könnte. Die Antwort darauf zu finden, das ist jedoch spannenderweise Sache der Entwickler – nicht der Forscher.