Märkte & Meinungen
Wettbewerbsfähigkeit ist immer auch eine Flächenfrage
Ein Plädoyer für das Comeback des Angebotsbebauungsplans.
Derartige Angebotsbebauungspläne kommen nur noch sehr selten zum Einsatz. Zumindest nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form: Wenn heutzutage mit dem formellen Prozess des Bebauungsplanverfahrens nach BauGB begonnen wird, steckt dahinter häufig bereits ein bestimmtes Bauvorhaben für ein Unternehmen. Damit nehmen Kommunen allerdings Einfluss auf kleinste Details der Bauprojekte und betreiben „Mikromanagement“ – und das trotz fehlender Ressourcen auf Bauämtern. Meiner Meinung nach sollten an dieser Stelle allerdings wieder mehr Freiheiten zugelassen werden und Angebotsbebauungspläne in ihrer ursprünglichen Form zum Einsatz kommen. Das würde die Flexibilität und Geschwindigkeit für Projekte erhöhen.
Nehmen wir Grünheide bei Berlin als Beispiel. Dort ist vor 20 Jahren ein Angebotsbebauungsplan für BMW entstanden. BMW ist damals zwar nicht auf das Angebot eingegangen, das Baurecht blieb im Sinne des Flächenvorrats für künftige Anfragen aber bestehen. Letztendlich ermöglichte genau dieser bereits existierende Plan, dass sich Tesla dort in Rekordzeit mit der Gigafactory ansiedeln konnte. Flächenverfügbarkeit bedeutet eben nicht nur, dass ein ausreichendes Maß an Bauland existiert, sondern auch, dass es zeitnah verfügbar ist.
Einen Angebotsbebauungsplan durch Änderungsverfahren den Bedürfnissen eines Interessenten anzupassen, geht üblicherweise erheblich schneller, als einen komplett neuen Bebauungsplan aufzustellen – über die zähen und langen Prozesse von der Aufstellung bis zur Festsetzung neuer Bebauungspläne wird in der Branche bereits ausreichend gesprochen. Wer im Falle Grünheide recherchiert, wird feststellen, dass der besagte Bebauungsplan vor 20 Jahren in etwa vier Monaten festgesetzt war. Hier kann man sich auch fragen, warum die Effizienz in der Zwischenzeit so stark abgenommen hat.
Wachstum – der Wille ist da, die Flächen sind es nicht
Die Gründe, warum Kommunen heutzutage kaum noch Angebotsbebauungspläne genehmigen, sind vielfältig. Zum einen mag dies an der fehlenden Einflussnahme liegen, die ein solcher Bebauungsplan im Vergleich zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan mit sich bringt. Zum anderen sind Kommunen der Auffassung, Baurecht werde nur dann geschaffen, wenn tatsächlich gebaut werden müsse und ein Angebotsbebauungsplan würde nur zu einem höheren Flächenverbrauch führen. Dieses Argument trägt im Falle der Entwicklung von ehemals industriell genutzten Flächen allerdings nicht, da es sich hier um eine Form von Flächenrecycling handelt, die bereits versiegelte Areale nutzt und somit keine zusätzlichen Grünflächen beansprucht.
Die Folgen der heutigen Trägheit in den Verfahren sind bekannt: Unternehmen, die in Deutschland wachsen wollen, werden ausgebremst. Eine Erweiterung der Flächen am bestehenden Standort ist selbst für Vorzeigeunternehmen oft nicht möglich. Die logische Konsequenz: Ansiedlungsvorhaben gelingen erst nach einigen Fehlschlägen und oft nur abseits des bestehenden Standorts. Oder die Eröffnung neuer Flächen gelingt gar nicht – und es bleibt nur das Ausweichen ins benachbarte Ausland. Das steht allerdings im Widerspruch zur Anstrengung der öffentlichen Hand, die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Standorts auch in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten aufrechtzuerhalten.
Wenn wir uns allerdings vor Augen führen, dass sich die Lieferketten immer schneller wandeln und die durch Corona angestoßene Abkehr einer Just-in-Time-Mentalität hin zu einem Aufbau von Pufferbeständen nahe der Industrieproduktion führt, dürfte klar sein: Die Verfügbarkeit neuer Baugrundstücke bzw. die Ausweisung von Bauland – insbesondere für Lagerflächen – wird künftig noch stärker zum Kriterium für die Wettbewerbsfähigkeit von Standorten werden. Was wir deshalb dringend brauchen, sind genau diese Angebotsbebauungspläne, die sich rasch an konkrete Anforderungen anpassen lassen, unter anderem für genau diese Pufferlager.
Den Immobilienunternehmen kommt eine Schlüsselfunktion zu
Die OECD und auch das ifo-Institut berechnen regelmäßig, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland entwickelt. Unter anderem spielt die Zu- und Abwanderung zukunftsstarker Unternehmen – in Verbindung mit einer zeitgemäßen digitalen Infrastruktur sowie Verkehrsinfrastruktur – hierbei eine entscheidende Rolle. Es ist deshalb nicht überraschend, dass die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im internationalen Vergleich immer weiter schwindet. Das liegt meiner Meinung nach auch an den hohen bürokratischen Hürden und komplizierten Prozessen, die speziell bei Bauleitplanverfahren zur Geltung kommen.
Keine Frage, es gibt auch Positivbeispiele. Die Chipfabrik des US-Herstellers Intel beispielsweise kann trotz der derzeitigen Debatte um eine Erhöhung der Fördergelder als Erfolg für Magdeburg gelten. Weniger medial präsent, aber eventuell sogar relevanter ist das geplante Halbleiterwerk des Chipherstellers Wolfspeed im Saarland, an dem sich die ZF Friedrichshafen AG in großem Stil beteiligt hat.
An den hier beschriebenen Problempunkten lässt sich sehr gut darstellen, in welcher Form die Immobilienbranche zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland beitragen kann. Schließlich sind es Entwickler, Asset Manager oder Bauunternehmen, die auf dem ausgewiesenen Bauland die Built-to-Suit-Lösungen, den gemischt genutzten Gewerbepark oder auch die Big-Box-Logistikeinheit schaffen. Immobilienunternehmen fungieren als Vermittler zwischen Unternehmen und Kommunen. Und mehr noch: Es liegt an uns Immobilienexpertinnen und -experten, kontinuierliche Aufklärungsarbeit bei der öffentlichen Hand zu leisten sowie durch innovative Flächenkonzepte deren Bedürfnisse noch besser zu bedienen, sodass zurückgehaltenes Bauland früher ausgewiesen wird. Arbeiten wir gemeinsam daran, dass der Angebotsbebauungsplan ein Comeback feiert.