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Wohnungsbau in der Schieflage – warum private Eigentümer der Schlüssel sind
Seit Jahren wird in Deutschland über den Wohnraummangel diskutiert. Wie groß die Lücke genau ist, darüber gehen die Prognosen auseinander. Während das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) mindestens 350.000 neue Wohnungen pro Jahr für notwendig hält, spricht der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) sogar von bis zu 750.000.
Unstrittig ist, dass wir deutlich zu wenig bauen. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2024 lediglich 251.900 Wohnungen fertiggestellt – ein Wert, der selbst im Vergleich zu den konservativeren Bedarfszahlen deutlich zurückbleibt. Woran liegt es also, dass der Wohnungsbau so deutlich hinter dem ermittelten Bedarf zurückbleibt – trotz erkennbarer Bauabsichten in vielen Kommunen?
Ein Teil der Antwort liegt in der Verteilung: Es wird vielerorts gebaut, aber nicht dort, wo der Bedarf am größten ist. Während in der öffentlichen Diskussion meist von einem bundesweiten Wohnraummangel die Rede ist, zeigen die Analysen von Empirica ein differenzierteres Bild. Der zusätzliche Bedarf konzentriert sich fast ausschließlich auf die Metropolregionen und ihr Umland, also die Gebiete, in denen Arbeitsplätze, Hochschulen und Infrastruktur Menschen anziehen. In ländlichen Räumen werden hingegen trotz stagnierender oder schrumpfender Bevölkerung weiterhin neue Wohnungen gebaut. Empirica schätzt, dass jährlich rund 100.000 Wohnungen an Standorten entstehen, die zur Entlastung des Marktes kaum beitragen und gleichzeitig in Metropolregionen nur rund 60 Prozent des Bedarfs gedeckt werden. Das Ergebnis ist ein paradoxes Muster: In Ballungsräumen verschärfen sich die Engpässe, während anderswo Neubauten entstehen, die am Bedarf vorbeigehen.

Doch selbst dort, wo ausreichend Flächenpotenzial vorhanden wäre, kommt der Wohnungsbau oft nicht voran. Eine hierfür zentrale, bislang unterschätzte Variable ist die Eigentümerstruktur. Ein aktuelles Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt: Rund 16,1 Millionen Wohnungen – das sind 64,4 Prozent des Mietwohnungsbestands – befinden sich im Besitz privater Kleinvermieter, die damit vor allem ihre Altersvorsorge absichern. Die öffentliche Hand spielt hingegen nur noch eine Nebenrolle, große Wohnungsunternehmen und institutionelle Investoren, die Feindbilder des politisch linken Lagers, ebenfalls. Damit steht fest: Ohne die privaten Eigentümer bewegt sich wenig. Sie sind die tragende Säule des Wohnungsmarktes und doch investieren gerade sie derzeit kaum in Neubau oder Modernisierung.
Ich mache dafür hauptsächlich drei Gründe verantwortlich, die sich im Übrigen kaum von den Hürden für Immobilienunternehmen unterscheiden: Der erste Grund ist die Bürokratie. Wer heute ein Bauvorhaben startet, wartet wegen der gestiegenen Regelungsdichte im Schnitt zwölf bis 18 Monate auf eine Genehmigung. In dieser Zeit liegt Kapital brach. Hinzu kommen zusätzliche Hürden wie beispielsweise langwierige, teils schwer nachvollziehbare Umweltprüfungen – jedes Detail verzögert, jedes Gutachten kostet. Das sorgt für hohe Unsicherheit.
Der zweite Grund sind unzureichende steuerliche Anreize. Sonderabschreibungen sind an die Erfüllung bestimmter Nachhaltigkeitskriterien geknüpft und damit zu eng gefasst. Für die breite Masse der privaten Bauherren lohnt sich das Engagement nicht. Ein Blick zurück zeigt jedoch, dass es auch anders gehen kann: Mit klaren steuerlichen Vorteilen löste das Fördergebietsgesetz der 1990er-Jahre eine Welle von Neubauprojekten und Sanierungen in Ostdeutschland aus, ganze Quartiere wurden in kurzer Zeit entwickelt oder erneuert. Heute existiert kein Instrument, das auch nur annährend eine ähnliche Breitenwirkung entfalten könnte.
Der dritte Grund ist die Unausgewogenheit des Mietrechts – ein Rahmen, der Investitionen zunehmend unattraktiv macht. Zuletzt wurde die Mietpreisbremse verlängert und ausgeweitet, künftig drohen bei Verstößen hohe Bußgelder. Mit der Schonfristzahlung können Mieter eine Kündigung durch Nachzahlung abwenden. Für private Eigentümer bedeutet das eine steigende Rechtsunsicherheit und unklare Kalkulationen. Viele ziehen sich deshalb zurück, vermieten Bestände nicht neu oder verzichten auf Neubauinvestitionen.
Hinzu kommen politische Signale, die Vertrauen zerstören, statt es zu stärken. Debatten über die Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände – wie derzeit in Berlin – entfalten weit über die betroffenen Konzerne hinaus Signalwirkung. Wer das Eigentum einzelner Gruppen infrage stellt, stellt das Vertrauen aller infrage. In einem ohnehin fragilen Marktumfeld ist das der falsche Impuls.

Der momentane Bauturbo adressiert diese strukturellen Probleme nur oberflächlich. Zentrales Nadelöhr ist und bleibt die Zustimmung der Gemeinden. Lehnt die Kommune die Anwendung des Bauturbos ab, bewegt sich nichts und die Projekte durchlaufen die üblichen langwierigen Prozesse. Mehr noch: Die Gemeinde kann ihre Zustimmung auch an Bedingungen knüpfen, beispielsweise wenn es um die Finanzierung der Infrastruktur und die Umsetzung von Baulandmodellen geht. Damit bleibt der Bauturbo im Kern von denselben Mechanismen blockiert, die Projekte schon heute verzögern. Ein weiteres Problem ist, dass der Bauturbo zunächst nur bis 2030 gilt. Wer heute Grund erwirbt, weiß also nicht, unter welchen Bedingungen er in fünf Jahren tatsächlich baut – Planungssicherheit sieht anders aus. Auch auf kommunaler Seite ist die Skepsis groß: So betonte Frankfurts Baudezernent Marcus Gwechenberger jüngst in der FAZ, von der geplanten Beschleunigung seien „keine großen Impulse“ zu erwarten. Der Bauturbo sei eher für kleinere Gemeinden geeignet, nicht aber für Großstädte wie Frankfurt. Dort wirken andere Parameter: Umwelt- und Nachbarschaftsinteressen müssen von Anfang an berücksichtigt werden, um jahrelange Auseinandersetzungen vor Gericht zu vermeiden.
Was wirklich helfen würde, liegt auf der Hand. Erstens braucht es verbindlich verkürzte Verfahren. Genehmigungen müssen bei einem rechtskräftigen Bebauungsplan innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein. Zweitens sind steuerliche Anreize für Investitionen nötig, die breit wirken, nicht nur für hochstandardisierte Neubauten. Drittens braucht es ein Mietrecht mit Augenmaß, denn Regeln, die Rechtsunsicherheit schaffen, schrecken Eigentümer ab.
Fazit:
Wer den Wohnungsbau wieder in Gang setzen will, muss die richtigen Akteure ins Spiel bringen. Und das sind in erster Linie private Eigentümer, die bereit wären, zu investieren, wenn man sie denn ließe. Solange aber Bürokratie, Rechtsunsicherheit und fehlende Anreize dominieren, bleibt das Potenzial ungenutzt. Deshalb gilt: Nicht mehr Programme oder neue Gesetze bringen die Wende, sondern ein verlässlicher Rahmen, der privaten Wohnungsbau wieder möglich macht.