Wartehalle im Industriedesign

Gesucht: Immobilien mit Geschichte(n)

Drei Agenturen geben Einblick in die Kreation von Marken

Portraitfoto von Susanne Heck, Leiterin Marketing & Kommunikation
„Wir brauchen für unser Immobilienprojekt einen griffigen Namen und ein Logo. Lassen Sie sich mal was einfallen.“

Solche oder ähnliche Sätze hören Werbeagenturen und Marketing-Verantwortliche in Unternehmen immer wieder. zoOM sprach mit verschiedenen Agenturvertretern. Trotz unterschiedlicher Vorgehensweisen – eines eint alle: Mit Namen und Logo ist es nicht getan. Eine Positionierung, die überzeugt, beruht auf einem stimmigen Gesamtkonzept.

Die Markenentwicklung hat in der Immobilienbranche Fuß gefasst. Waren noch vor 15 Jahren Quartiersentwicklungen, Bestands- und Neubauten fast ausschließlich durch die Lage bestimmt, so hat die Branche inzwischen eine enorme Wandlung durchlaufen. Kaum ein Projekt wird ohne einen klangvollen Namen auf den Markt gebracht. Schwungvolle Logos zieren die zugehörigen Print- und Online-Unterlagen, die ebenfalls meist hochwertig und äußerst ansehnlich daherkommen.

Auch im Immobilienmarketing ist es wichtig, sich von der Konkurrenz abzuheben.

Marke schafft Sicherheit

Aber ist das schon eine Marke? Manchmal bleibt davon nicht mehr viel in Erinnerung, wenn das Gebäude einmal den Besitzer gewechselt hat. Und manchmal wird bereits im Vermarktungsprozess nachgebessert, weil man festgestellt hat, dass die erste kreative Idee nicht mit dem Projekt oder Standort harmoniert.

Deshalb lohnt es sich, eine Markenentwicklung umfassender anzugehen. Denn Angebote mit starker Marke geben Orientierung und Sicherheit bei der Entscheidung. Dadurch sind sie erfolgreicher. Das gilt nicht nur im Konsumgüterbereich, sondern auch für Business-to-Business-Angebote.

Ist man dafür bereit, beginnt – zumeist mit externen Partnern – der komplexe Markenentwicklungsprozess. Hier müssen zunächst viele Fragen zum Projekt und zum Umfeld beantwortet werden.

Quelle: angelehnt an h2m

Wie hebt sich das Projekt von anderen ab?

Martin Menkhaus von der Agentur h2m in Oberhausen und seine Mitstreiter arbeiten mit dem sogenannten Markensteuerrad. Das bedeutet nicht weniger, als in einem Workshop mit den Projektbeteiligten zu analysieren, wie das Unternehmen tickt und wie sich das einzelne Immobilienprojekt von anderen abhebt. Welches sind die wesensprägenden und identitätsstiftenden Merkmale? Die hieraus erkennbaren Eigenschaften werden mit dem verknüpft, was die Kunden im Zusammenhang mit vergleichbaren Projekten bewegt. Was liegt ihnen am Herzen, womit hadern sie und welche Möglichkeiten bieten Vermieter bzw. Verkäufer für sie in der jeweiligen Immobilie. Auf dieser Grundlage wird eine Positionierung entwickelt und in Leitsätzen zusammengefasst. Erst später erwachsen daraus Name, Logo und Corporate Design.

Eine Story, basierend auf Werten

Was heißt das für jede Immobilie im Ergebnis? Es bedeutet, die Geschichte zu erzählen, die zum Projekt, zum Unternehmen und zum Kunden passt. So entstehen bei der Zielgruppe attraktive und berührende innere Bilder, die ein Projekt von den vielen anderen, vergleichbaren Projekten unterscheiden. Menkhaus beschreibt das so: „Produkte entstehen in Fabriken oder am 3D-Drucker und Immobilienprojekte auf der Baustelle – Marken hingegen entstehen in den Köpfen und Bäuchen der Zielgruppe.“

Wir entscheiden nicht, uns sicher zu fühlen

Christoph Kohl von der Wiesbadener Agentur Vanderlicht setzt bei der Markenentwicklung auf das unmittelbare persönliche Erleben: „Lage, Anbindung, Ausstattung und Preis sind bei vielen Objekten qualitativ vergleichbar. Das Ziel muss es sein, sich über andere Dinge von der Konkurrenz abzuheben, und hier kommt das Vermarktungskonzept ins Spiel.“ Kohl und Kollegen haben sich darauf spezialisiert, leere Räume zu inszenieren, einzurichten und ihnen eine neue Identität zu verleihen. „Homestaging“ nennt sich das – auch bei Gewerbeimmobilien. So erzählen sie für jedes Projekt eine neue Geschichte und kreieren einen individuellen Stil, der sich in den Vermarktungsmaterialien fortsetzt.

Oft setzen sie dabei auf die Historie des Standortes. Besonders wichtig ist es den Wiesbadenern vor allem, dass der Interessent schon bei der Besichtigung das Gefühl erhält, die richtige Entscheidung zu treffen. „Wir können nicht entscheiden, uns sicher zu fühlen. Wir fühlen uns sicher oder eben nicht. Und zwar unabhängig von Vernunft. Und teilweise sogar gegen jede faktische Objektivität. Der Verstand beurteilt, aber das Gefühl entscheidet. Das ist die wichtigste Faustregel beim Verständnis von Branding und Marketing“, sagt Kohl.

»Find your horse to ride«: Aufladung und Ausstattung der Marketing Lounge zur Vermarktung von Büroflächen am ROSSMARKT, Frankfurt. Foto: Vanderlicht

In eine Geschichte eintauchen

Eine gute Vermarktungsgeschichte für ein Objekt braucht vor allem eines: Zeit. Zeit, sich mit der Umgebung, der Vergangenheit (bei Bestandsobjekten) und dem Objekt selbst auseinanderzusetzen. „Erst wenn der Kunde sagt, Mensch, dem muss die Immobilie aber richtig am Herzen liegen, sonst hätte er sich nicht die Mühe gemacht und so viel Zeit hineingesteckt – erst dann haben wir unseren Job richtig gemacht“, meint Kohl. Nicola Knüwer von der Agentur Niehaus Knüwer and friends pflichtet ihm bei: „Marken schaffen Identifikation. Sie können Stimmungen erzeugen, Welten öffnen, Stolz bilden. Wichtig ist, was bei Ihnen Bilder im Kopf erzeugt, was können Sie sich gut merken und wollen Sie weitererzählen? Eine sachlich nüchterne Beschreibung mit Zahlen hinterlegt oder eine Geschichte, in die Sie eintauchen und in der Sie sich ein Stück wiederfinden?“

Jedes Image lässt sich drehen

Herausfordernd wird es, wenn sich für ein Objekt oder ein ganzes Areal ein schlechtes Image in den Köpfen der Bevölkerung manifestiert hat. Oder wenn man keine herausragende Geschichte findet, mit der man arbeiten kann. Für den Profi kein Problem, meint Christoph Kohl: „Jedes Image lässt sich in der Wahrnehmung drehen. Das heißt nicht, dass man offensichtliche Mängel oder Nachteile kommunikativ zu kaschieren versucht. Sondern dass man offen damit umgeht.“ Denn Marken geben nicht zuletzt auch ein Leistungsversprechen. Und das muss gehalten werden.