Marketing
„Verschweigen oder überschminken wirkt wenig souverän“
Herr Professor Kippes, wann sollten sich Marketing-Experten mit dem Branding und der Positionierung von Immobilienprojekten beschäftigen?
So früh wie möglich. Am besten sollten Branding und Marketing schon bei der Konzeptentwicklung sowie der Standort- und Marktanalyse (Stoma) mitbedacht werden. Bei diesem ersten Schritt ist gewissenhaft und ergebnisoffen zu analysieren, ob eine Projektentwicklung sinnvoll ist oder nicht. Ein bloßes Durchwinken ist unseriös. Doch leider sieht die Praxis oft anders aus. Und nach einer unsystematischen, unvollständigen oder gar voreingenommenen Analyse kann das Marketing am Ende nur noch Pathologie betreiben.
Für eine schick restaurierte Fabrikhalle mit Schmuckfassade aus der Gründerzeit lässt sich sicherlich schnell eine erfolgversprechende Marketing-Strategie entwerfen. Aber wie sieht es mit einer unbeliebten Lagerhalle aus den 1970er Jahren aus? Kann das Image von Problemobjekten sogar gedreht werden?
Auch hier empfiehlt sich ein systematisches Vorgehen. Was gibt die bestehende Bausubstanz am Standort her? Unter Umständen ist das Grundstück nach einem Abriss besser zu entwickeln als mit dem vorhandenen Problemobjekt. Oder kommt eher eine Umnutzung infrage? Lässt sich das Problem nicht beseitigen, gibt es vielleicht eine Möglichkeit, das Objekt beziehungsweise das Grundstück anderweitig aufzuwerten. Damit löst man das Problem nicht, aber man legt einen gewichtigen Zusatznutzen auf die andere Waagschale. Wichtig ist dabei, einen möglichen Schwachpunkt nicht zu verschweigen oder durch Marketing einfach überschminken zu wollen. Das wirkt wenig souverän.
Stattdessen kann ich mir lieber die Frage stellen: Für welche Zielgruppen besteht das Problem überhaupt? Nachteile und Herausforderungen werden ja durchaus subjektiv wahrgenommen – oder vielleicht sogar als Vorteil empfunden. Von einem produzierenden Betrieb mit eigener starker Lärmkulisse beispielsweise wird die laute Autobahn in unmittelbarer Nähe als weniger problematisch empfunden als von einem Laborbetrieb, in dem hochkonzentriert geforscht wird. Und schließlich kommt es darauf an, ob ein Projekt für Käufer oder für Mieter entwickelt wird. Mieter reagieren teilweise weniger empfindlich auf einzelne Nachteile; sie sind ja unter Umständen nur für einen überschaubaren Zeitraum im Objekt. Bei Käufern muss das Marketing noch überzeugender sein.
Es scheint, dass heutzutage kein Immobilienprojekt gleich welcher Nutzungsart und Größe noch ohne einen griffigen Namen auskommt. Dabei stößt man auch auf manche merkwürdige Wortschöpfung. Würden Sie eher zu einem Kunstnamen raten oder zu einem Namen mit konkretem Bezug?
Grundsätzlich ist es meist aufwendiger und schwieriger, einen komplett neuen Kunstnamen zu etablieren. Wenn es anders geht, sollte man beim Immobilien-Branding an Bestehendes anknüpfen oder bestimmte Eigenschaften aufgreifen. Nicht bei jedem Projekt drängt sich sofort ein geeigneter Bezug auf. Und nicht jeder unmittelbar einleuchtende Name darf auch genutzt werden. Bei systematischer und ausdauernder Recherche finden sich jedoch fast immer geeignete Anknüpfungspunkte.
Was können das für Anknüpfungspunkte sein?
Zunächst einmal bietet sich die Historie des Objekts beziehungsweise des Standorts an. Gerade bei Gewerbeimmobilienprojekten gibt es oftmals bemerkenswerte Vornutzungen. Klassiker sind Markthallen, Bahnhöfe, Fabriken oder Hafenpiers. Oder sehr bekannte ehemalige Unternehmen als Vorbesitzer. Wichtig ist, dass solche historischen Namen und Nutzungen in der Region geläufig und positiv besetzt sind. Alternativ lässt sich auch an landschaftliche Besonderheiten anknüpfen, wobei dies bei Gewerbeimmobilien eher die Ausnahme ist. Sind Historie oder Landschaft aus welchen Gründen auch immer ungeeignet, kann auf außergewöhnliche architektonische oder technische Spezifika des Objekts Bezug genommen werden oder auf einen spezifischen Mietermix: In Berlin beispielsweise gibt es das „Haus der Verbände“. Im Idealfall passt das Branding auch zum Leitbild und zur Corporate Identity des Unternehmens.
Im Bürobereich breiten sich derzeit Pay-per-use-Modelle wie zum Beispiel Co-Working immer stärker aus. Werden solche Konzepte auch bei Logistik- beziehungsweise Unternehmensimmobilien stark Einzug halten – und die Anforderungen an das Marketing verändern?
Einen solchen Trend erwarte ich bei Logistikimmobilien nicht in nennenswertem Umfang. Grundsätzlich gilt es aber immer, sich jeden Einzelfall gesondert anzusehen.