Neubau & Refurbishment
Umbau statt Neubau – Chancen im Bestand nutzen
Welche Vorteile hat ein Umbau im Bestand verglichen mit einem Abriss und Neubau?
CS: Es gibt nicht DIE Vorteile. Wir prüfen jeden Einzelfall und betrachten dabei vor allem die Aspekte Wirtschaftlichkeit, Qualität der Bausubstanz, Baurecht und Marktsituation. Je mehr von der ursprünglichen Bausubstanz erhalten werden kann, desto wirtschaftlicher ist das Projekt in der Regel für den Entwickler – und letztlich auch für die Mieter. Häufig ergeben sich auch zeitliche und rechtliche Vorteile durch den bereits existierenden Bebauungsplan und den Bestandsschutz der jeweiligen Immobilien. In Bestandsgebäuden ist oftmals eine höhere Geschossflächenzahl erlaubt, als sie im Neubau genehmigt würde. Dieses brachliegende Potenzial kann im Zuge einer Revitalisierung voll ausgenutzt werden.
MB: Juristisch gesehen unterscheiden sich die Voraussetzungen natürlich von Fall zu Fall sowie von Kommune zu Kommune. Allerdings sind im Rahmen eines älteren Bebauungsplans notwendige bauliche Anpassungen oft ohne größere Komplikationen umsetzbar, sofern keine Nutzungsänderung nötig ist. Zudem ist es möglich, durch Revitalisierungen im Bestand Flächen zu schaffen, die der Qualität eines Neubaus in nichts nachstehen. Oftmals besteht für bisherige Nutzungen auch Bestandsschutz, sodass geringere Restriktionen gelten, zum Beispiel beim Thema Emissionen.
Circa 60 Prozent des Materials muss wiederverwendbar sein, ansonsten lohnt sich ein Refurbishment nicht.
Mareen Braun, Projektmanagement Aurelis Region Süd
Gibt es auch Fälle, in denen ein Abriss und Neubau die bessere Variante ist?
MB: Absolut. Es gibt mehrere K.-o.-Kriterien, die eine Revitalisierung im Bestand unmöglich machen. Beispielsweise müssen die Bausubstanz und die Gebäudestruktur in einem ausreichend guten und wiederverwertbaren Zustand sein, damit sich eine Modernisierung rentiert. Die Faustformel lautet, dass circa 60 Prozent des Materials wiederverwendbar sein müssen, ansonsten lohnt sich ein Refurbishment nicht. Oftmals müssen die Flächen auch umgenutzt oder aufgewertet werden, um die Immobilie marktgängig zu machen oder um sie beispielsweise fit für die Anforderungen der Industrie 4.0. zu machen. Wenn ein solches Vorhaben baulich oder wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, sollte der Entwickler entweder abreißen und neu bauen oder kleinere Renovierungen am Objekt vornehmen und das Bestehende ausnutzen, anstatt etwas Neues zu erschaffen.
CS: Meist zeigt sich relativ früh, wie Erfolg versprechend das Projekt ist. Denn bevor die Maßnahmen überhaupt durchgeplant werden können, steht eine umfangreiche Bestandsanalyse an, die sowohl kaufmännische und technische Aspekte als auch baurechtliche und juristische Themen umfasst. Weil allerdings niemand im Vorfeld alle Probleme ausschließen kann, die während der Bauphase auftreten, müssen mögliche Verzögerungen ebenfalls eingeplant werden. Auf die Drittverwendungsfähigkeit der Immobilie nach einer Umbaumaßnahme sollte der Entwickler ebenfalls achten, damit es nach Auslaufen der Mietverträge nicht zu einem Leerstand kommt.
Gerade auf innerstädtischen Grundstücken bietet es sich häufig an, bestehende Baulücken mit Neubauten zu schließen.
Christina Schäfer, Asset Management Aurelis Region Süd
Welche weiteren Potenziale zur besseren Ausnutzung von Bestandsarealen gibt es?
CS: Der Umbau im Bestand ist natürlich nur eine von vielen Maßnahmen, die sich auf einem gewachsenen Areal realisieren lassen. Gerade auf innerstädtischen Grundstücken bietet es sich häufig an, bestehende Baulücken mit Neubauten zu schließen. Dies zeigt sich gut an unserem größten Revitalisierungsprojekt, dem Triebwerk München. Dort haben wir die gesamte Bandbreite an baulichen Möglichkeiten ausgeschöpft. Wir haben Neubauten auf den Freiflächen errichtet, teilweise zu 100 Prozent spekulativ, da der Bedarf an Gewerbeflächen in München enorm ist. Daneben haben wir historischen Gebäudebestand umfassend saniert. Eine echte Herausforderung bei diesem Revitalisierungsprojekt war es, energetisch vernünftige, technisch zeitgemäße Lösungen mit den Anforderungen des Denkmalschutzes zu verbinden. Das erforderte viel Flexibilität und Kreativität.
Können Sie uns ein Beispiel für solche flexiblen Lösungen nennen?
MB: Neben den Fassaden und Dächern sollten auch die Fenster in ihrer ursprünglichen Form erhalten bleiben. Um energetischen und ästhetischen Ansprüchen gleichermaßen zu genügen, sind doppelte Verglasungen von innen eine mögliche Lösung. Das ist in der Umsetzung enorm kostspielig, sieht aber gut aus. Diese Ausstattung besprechen wir dann individuell mit unseren Mietern. Denn die Anforderungen sind unterschiedlich. Die Kunden einer Kletterhalle brauchen keine 21 Grad Raumtemperatur und somit keine Doppelverglasung, die kommen von selbst ins Schwitzen. Nutzer mit hauptsächlich sitzenden Tätigkeiten möchten es dagegen wohltemperiert.
CS: Auf dem Triebwerkareal entwickelt sich nach und nach ein moderner Gewerbestandort mit einem Nebeneinander von modernen und historischen Gebäuden. Ein solcher Wandel vollzieht sich nur langsam und vom Kleinen ins Große. Zugleich ermöglicht ein solch besonderes Revitalisierungsprojekt, von Maßnahme zu Maßnahme hinzuzulernen, sowohl was die baulichen Gegebenheiten betrifft als auch bei der Zusammenarbeit mit den Mietern. Wir versuchen, immer besser zu werden. Mit der Erfahrung, die wir über die Jahre gesammelt haben, können wir nicht nur unsere aktuellen Projekte voranbringen, sondern auf unvorhergesehene Entwicklungen schneller und flexibler reagieren.