Stadt & Quartier
Chancen im Wandel: Offenbachs Wege aus der Immobilienkrise
Herr Dr. Schwenke, wo zeigt sich die Immobilienkrise in Offenbach?
Der Markt und damit die Nachfrage ist nach wie vor vorhanden – und das nicht nur in der Assetklasse Wohnen, sondern auch im Gewerbe. Das liegt vor allem an unserer Lage. Wir profitieren zum einen von der Nähe zu Frankfurt und zum anderen zusätzlich von der Beliebtheit des Rhein-Main-Gebiets. Aber auch in Offenbach sind einige Projekte aufgrund der schwierigen Marktlage verschoben worden bzw. ruhen momentan. Dennoch gibt es weiterhin Aktivitäten auf dem Immobilienmarkt und Entwicklungen, die gerade in der Projektierung sind.
Sie sind also nicht von der Krise betroffen?
Doch, aber wir arbeiten proaktiv daran, Unternehmen die Ansiedlung so leicht wie möglich zu machen. Mit dem Masterplan Offenbach 2030 haben wir bereits vor acht Jahren strategisch und politisch ganz bewusst die Leitplanken für die Stadtentwicklung der kommenden Jahre mit einem klaren Fokus auf Wohnen und Arbeiten verbindlich auf den Weg gebracht. Er definiert, welche Flächen im Stadtgebiet für den Wohnungsbau und welche für die wirtschaftliche Entwicklung vorgesehen sind. Der Erarbeitungsprozess des Masterplans war stark partizipativ geprägt. Verbände, Bürgerschaft und verschiedene Institutionen und Interessengruppen wurden in zahlreichen Formaten aktiv eingebunden. Und auch heute stehen wir in Offenbach nicht still – wir führen bereits erste Gespräche, um den Masterplan Offenbach 2030 weiterzuentwickeln.
Wird der Masterplan auch an neue Entwicklungen angepasst?
Ja. Aber eines ist schon heute klar: Wir werden weiterhin einen starken Fokus auf die Entwicklung von Gewerbe legen.
Können Sie ein Beispiel nennen, das im Rahmen des Masterplans vorangetrieben wurde?
Ein zentrales, gerade in der Umsetzung befindliches Schlüsselprojekt ist die Aufwertung unserer Innenstadt. Mit dem „Zukunftskonzept Innenstadt“ haben wir abstrakte Ziele und konkrete Maßnahmen definiert. So soll der verbliebene Einzelhandel unterstützt werden, zugleich sollen aber auch neue Gründe für den Besuch der Innenstadt geschaffen werden, da der Handel alter Prägung nicht zurückkommen wird. Es soll Raum für Arbeiten, Wohnen, Freizeit, Soziales und Kultur geben. Ganz konkret haben wir zum Beispiel das Kaufhof-Gebäude erworben. Dort soll eine moderne Stadtbibliothek entstehen, die viel mehr Plätze zum Lernen bietet, vor allem Computerarbeitsplätze. Ergänzend wird sie mit Veranstaltungsräumen, einem Makerspace, einem Café und mehr ausgestattet – so wird sie ein Treffpunkt für die Gemeinschaft. Darüber hinaus wurde ein Förderprogramm aufgelegt, „Testraumallee“, um Leerstände in der Innenstadt mit Pop-up-Stores und hybriden Konzepten zu bespielen und diese Ansätze nachhaltig in der Stadt zu verankern. Alle Maßnahmen koordiniert die extra geschaffene Agentur Mitte.
Werden auch Spezialimmobilien in der Stadtentwicklung berücksichtigt?
Ja: Wegen des DE-CIX gibt es in der Region FrankfurtRheinMain eine große Nachfrage nach Rechenzentren. Wir haben deshalb ein städtebauliches Entwicklungskonzept für unternehmensunabhängige Rechenzentren entwickelt. Es legt fest, in welchen Gebieten solche Immobilien zukünftig zulässig sind. Wesentlich dabei ist, dass sie in die kommunale Wärmeplanung eingebunden werden können. Bei der Entwicklung dieser Rechenzentren werden zum Beispiel ökologische Anforderungen wie die Nutzung von Kühlwasser, die Auswahl nachhaltiger Baumaterialien und eben die Integration in die kommunale Wärmeplanung berücksichtigt und eingefordert.
Wie unterstützen Sie Unternehmen dabei, geeignete Flächen zu finden?
Neben der Ansiedlung neuer Unternehmen legen wir ein besonderes Augenmerk darauf, die bereits ansässigen Unternehmen zu unterstützen. Für alle Fragen zur Veränderung von Flächen – Neuzuzug, Wachstum, Schrumpfung – haben wir ein eigenes Flächenmanagement eingerichtet. Ähnlich wie ein Makler sammeln wir alle uns bekannten Informationen über Grundstücke und Gebäudeleerstände in einer Datei. Dann versuchen wir bei Anfragen – als kostenloser Service für die Unternehmen –, die benötigten Flächen zu finden. Das klappt häufig – aber natürlich nicht immer. Auch wir stehen vor der Herausforderung, dass die verfügbaren Flächen sehr begrenzt und hoch verdichtet sind. Die Neuausweisung von Flächen ist wegen der Bindung an den regionalen Flächennutzungsplan der Metropolregion FrankfurtRheinMain mit großen Hürden verbunden. Daher setzen wir stark auf die Revitalisierung und ggf. Verdichtung bestehender Flächen, um den Bedarf der Unternehmen zu decken und gleichzeitig den Flächenverbrauch so gering wie möglich zu halten. Auch unabhängig von der Fläche versuchen wir, Unternehmen mit ihren Anliegen oder Problemen schnell und effizient zu helfen. Das betrifft unter anderem Themen wie Baugenehmigungsverfahren oder Nutzungsänderungen.
Aurelis entwickelt in Offenbach auf dem ehemaligen Güterbahnhofareal das Quartier 4.0. Wie gehen die Entwicklungen dort voran?
Die immerhin neun Hektar große Fläche ist ja kein einzelnes Bauvorhaben, sondern die Entwicklung eines kompletten Gebiets zu einem urbanen Quartier. Das haben wir im Hafengebiet schon einmal erfolgreich hinbekommen. Wir arbeiten jetzt seit einigen Jahren unter sehr schwierigen Bedingungen sehr professionell mit Aurelis zusammen, um dieses Projekt voranzubringen. Wir befinden uns jetzt in der Erschließungsphase. Die ersten Bauvorhaben werden nächstes Jahr Spatenstich haben. Bei einer Gebietsentwicklung dieser Größenordnung gibt es auch unabhängig von Baukosten oder wirtschaftlicher Lage immer wieder Herausforderungen, die gemeinsam bewältigt werden müssen. Dazu gehören auch Themen, die erst im Laufe der Entwicklung auftauchen, wie beispielsweise das Thema Altlasten. Bisher konnten wir solche Hürden aber dank engem Austausch immer einvernehmlich meistern. Grundsätzlich sehen wir die Zusammenarbeit für beide Seiten als sehr positiv.