Stadt & Quartier
Zwischen Natur und Beton: urbane Brachflächen
Viele Brachflächenrevitalisierungen sind mit der Entsiegelung vorhandener Flächen und Renaturierungsmaßnahmen aller Art verbunden. Doch wie findet man im Rahmen einer Immobilienentwicklung die richtigen Maßnahmen für die heimische Tier- und Pflanzenwelt? Landschaftsarchitekt Michael Voit, Geschäftsführer des Planungsbüros WGF Landschaft GmbH in Nürnberg, der mit Immobilienentwicklern wie Aurelis zusammenarbeitet, gibt Einblicke in den komplexen Prozess der Revitalisierung von Brownfields und der Schaffung von Lebensräumen.
„Es ist interessant, wie viele spezifische Tier- und Pflanzenarten sich auf lange Zeit brachliegenden Flächen ansiedeln – eine Art natürliche Regeneration“, erläutert Voit. „Bei der anschließenden Revitalisierung besteht allerdings die Gefahr, dass die neu entstandenen Lebensräume wieder zerstört werden.“ Deshalb müsse man dabei stets behutsam vorgehen. Fledermäuse oder Zauneidechsen zum Beispiel sind auf solchen Brachflächen häufig anzutreffen. Voits Ziel ist es, durch eine sorgfältige Planung dafür zu sorgen, dass deren Lebensräume erhalten bleiben oder neu geschaffen werden – sowohl zum Schutz bedrohter Arten als auch zur Erfüllung gesetzlicher Auflagen. Er betont die Notwendigkeit, ein Gleichgewicht zwischen Entwicklung und Bewahrung zu finden, denn zerstörte Biotope können nicht ganz so einfach an anderer Stelle wiederhergestellt werden.
Ökologie vs. Ökonomie – Kompromisse finden
Voit erläutert, die Revitalisierung von Brachflächen bringe eine Reihe von Herausforderungen mit sich, die durch umsichtige Planung und Zusammenarbeit gemeistert werden können. „Ein fundierter Planungsprozess beginnt mit detaillierten Bestandsaufnahmen und Umweltgutachten“, sagt er. Diese Schritte seien unerlässlich, um eine solide Basis für zukünftige Entwicklungen zu schaffen. Er betrachtet die Einbeziehung ökologischer Belange nicht als Hindernis, sondern als Chance für eine nachhaltigere Stadtentwicklung – eine Möglichkeit, Umweltaspekte harmonisch mit wirtschaftlichen und sozialen Zielen zu vereinen. Insbesondere in Städten bieten Grünflächen einen Mehrwert, da sie im Sommer vor Hitze schützen und Wasser speichern.
Wenn die Bestandsaufnahmen des Areals zeigen, dass sich an dem Standort geschützte Tier- oder Pflanzenarten angesiedelt haben, muss entschieden werden, wie diese Bestände geschützt werden können: entweder durch Erhalt oder durch Umsiedlung. Die Umsiedlung von Tieren, wie Zauneidechsen und Fledermäusen, ist ein sensibler Akt: „Es ist wichtig, den neuen Lebensräumen ausreichend Entwicklungszeit zu geben, ehe Tiere umgesiedelt werden können“, erklärt Voit. Dieser Prozess könne mehrere Jahre in Anspruch nehmen, um stabile Populationen zu etablieren.
Das Engagement der Immobilienentwickler
Voit unterstreicht die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Immobilienentwicklern wie Aurelis: „Die Kooperation mit Landschaftsplanern und Biologen ist für Entwickler unerlässlich, um ein tiefgreifendes Verständnis der ökologischen Bedingungen zu erlangen“, erklärt er. Diese interdisziplinäre Herangehensweise ermöglicht eine effektive Integration von Umweltaspekten in die Bauleitplanung und städtebauliche Projekte. „Es sollte das Ziel sein, lebendige Quartiere zu entwickeln, die bestehende natürliche Strukturen berücksichtigen und diese in die zu revitalisierenden Areale integrieren“, so Voit. Dies umfasse den Schutz von Bäumen, Pflanzen, Wasserläufen und bestehenden Lebensräumen für Tiere. „Häufig ist es effektiver, bestehende Strukturen zu bewahren, als neue aufzubauen. Dies erfordert ein hohes Maß an Sensibilität und Kreativität im Planungsprozess.“
Ein weiterer nicht unwesentlicher Aspekt in der Brachflächenrevitalisierung ist die Gesetzgebung. Die zunehmende Komplexität des Naturschutzgesetzes könne zunächst überwältigend sein, erläutert Voit: „Sie ist vor allem durch europäische Initiativen strenger geworden. Das erschwert die Planungsprozesse, führt gleichzeitig aber auch zu nachhaltigeren Planungen.“ Ökologische und wirtschaftliche Interessen sind dabei sorgfältig abzuwägen. Steigende rechtliche Anforderungen an Umweltprüfungen und ‑verträglichkeitsstudien sind eine Herausforderung, die sich aber durchaus angehen lässt und mit sorgfältiger Planung zukunftsfähige Entwicklungen hervorbringen kann.
Als Beispiel für ein erfolgreiches Revitalisierungskonzept nennt Voit den neuen Stadtteil Lichtenreuth in Nürnberg – ein ehemaliges Bahnareal, das mehr als zwei Jahrzehnte lang brachlag, bevor die Aurelis die Entwicklung des neuen Stadtteils mit urbanen Gebieten, Wohnbauflächen, Grünflächen und dem Standort der neu gegründeten Technischen Universität Nürnberg aufnahm.
Im Zentrum des Quartiers entsteht ein ausgedehnter neuer Stadtteilpark, der Verbindungen zu angrenzenden Grün- und Naherholungsflächen schafft. Eine Teilfläche des Areals wurde in den vergangenen Jahren als ökologische Ausgleichsfläche entwickelt. Dazu wurden Gebäude abgebrochen, Flächen entsiegelt und Böden saniert. Bestehende Offenland- und Gehölzbiotope sowie ein kleines Wäldchen wurden erhalten und bilden heute zusammen mit den neu angelegten Strukturen einen großflächigen naturnahen Lebensraum unter anderem für verschiedene Vogelarten, Fledermäuse und Zauneidechsen.
Fazit: Genug Lebensraum für uns alle Die nachhaltige Revitalisierung von Brownfields umfasst weit mehr als rein bauliche Maßnahmen. Die Planung und Schaffung von Lebensräumen für bedrohte Arten und die Integration von Grünanlagen sind für die städtische Entwicklung ebenso relevant. Ziel sollte es sein, Räume zu schaffen, die sowohl ökologische als auch soziale Wertigkeit besitzen und die Lebensqualität aller nachhaltig verbessern. Dabei bleibt die Revitalisierung von Brownfield-Flächen ein komplexer Prozess, der fundierte Kenntnisse in Ökologie, Städtebau und Gesetzgebung voraussetzt. Wer sich ihm annimmt, umsichtig plant und realisiert, kann durchaus einen wesentlichen Beitrag zur biologischen Vielfalt und zur Verbesserung des urbanen Lebensraums leisten.