Lagerhalle mit Regalen und Kartons

Welche neuen Vermietungsmodelle sind zukunftsweisend?

Portraitfoto Dr. Thomas Steinmüller
Im Bürosegment ist der Siegeszug des Coworking allgegenwärtig. Aber auch bei Logistikflächen könnte der klassische, auf mehrere Jahre hinweg geschlossene Mietvertrag schon bald Konkurrenz bekommen.

So genannte Pop-up- und Pay-per-use-Modelle bieten den Nutzern die Möglichkeit, punktgenau diejenigen Flächen anzumieten, die sie wirklich benötigen. Welche Chancen und Hindernisse dabei bestehen, erläutert Dr. Thomas Steinmüller, Vorsitzender des ZIA-Ausschusses Logistikimmobilien, im exklusiven Interview.

Herr Dr. Steinmüller, sind Pop-up- oder Pay-per-use-Modelle eine praktikable Antwort auf den digitalen Strukturwandel in der Produktions- und Logistikbranche?

Pop-up- und Pay-per-use sind zwei eindrucksvolle Beispiele für eine steigende Flächeneffizienz, die wir in zahlreichen Nutzungsarten der Immobilienwirtschaft beobachten können. Und sie zeigen, welche Bedeutung die „eigenen“ Flächen heute in den Köpfen der Mieter haben: Sie wollen inzwischen nur noch für das zahlen, was sie auch nutzen: bei Logistik beispielsweise die Lagerflächen, die in einem bestimmten Nutzungszeitraum tatsächlich in Anspruch genommen wurden. Dafür brauchen sie möglichst flexible Vertragsstrukturen. Das stellt Vermieter von Logistik- und Produktionsimmobilien vor enorm große Herausforderungen. Die Konzepte der Sharing Economy halten eben in allen Lebensbereichen Einzug.

Wie prägen solche Mietkonzepte die Struktur und das Management von Unternehmensimmobilien?

Wir müssen uns verabschieden von zu starken Anpassungen unserer Flächen auf einzelne Mieterinteressen. Das würde die Nutzbarkeit für andere Mieter zu stark einschränken. Aus diesem Grund müssen wir lernen, Schnittmengen und Mehrwerte zu entwickeln, die pauschal auf alle Nutzer zutreffen. Zudem muss das Asset Management aktiver und effizienter werden. Es ist eben nicht mehr so, dass wir einen zehnjährigen Mietvertrag abschließen und uns erst nach acht oder neun Jahren beim Mieter melden, um die Vertragsverlängerung zu diskutieren. Die Mieterkommunikation nimmt einen wesentlich größeren Teil unserer Arbeit ein und kann durch digitale Möglichkeiten sinnvoll ergänzt werden.

Logistik-Mieter wollen inzwischen nur noch für die Flächen zahlen, die sie auch nutzen.

Dr. Thomas Steinmüller, Vorsitzender des ZIA-Ausschusses Logistikimmobilien

Welche digitale Technologie braucht es dafür – jetzt und in Zukunft?

Schon heute kann die Flächeneffizienz durch Sensorik analysiert und somit verbessert werden. Zudem vereinfachen digitale Plattformen die Flächenanmietung im Sinne des Pay-per-use. Logistikflächen werden also künftig online gebucht, Zeitraum und Größe variieren. Zudem muss unsere Branche insgesamt noch „intelligenter“ werden. Das funktioniert nicht nur über eine reine Digitalisierung bestehender Prozesse – auch wenn es natürlich sinnvoll ist, repetitive, also immer wiederkehrende Aufgaben zu automatisieren. Wir müssen unsere Datenlage und Datenqualität verbessern. Internationale Vorreiter wie Amazon zeigen heute schon, dass es möglich ist, durch Big Data zu erkennen, was morgen bestellt werden könnte. Bestellt ein Kunde etwa heute ein Smartphone, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er demnächst auch eine passende SD-Karte oder anderes Zubehör dafür bestellt. In Deutschland hängen wir in diesem Punkt noch meilenweit hinterher. Um diesen Rückstand zu verringern, müssen wir auf Open Data setzen. So wäre die Freigabe der Daten von Toll Collect ein echter Gewinn für unsere Branche. Dafür setzt sich der ZIA ein.

Künftig könnten Logistikflächen je nach Bedarf des Mieters in den Warenkorb wandern.

Ist es überhaupt sinnvoll, smarte Gebäudetechnik flächendeckend zu verbauen oder sollte so einfach wie möglich gebaut werden?

Der Ansatz ist falsch. Ein „so einfach wie möglich“ kann Nutzer abschrecken. Diese sind eher dazu bereit, mehr Geld für intelligentere Mietmodelle, flexiblere Flächengrößen und kurzfristigere Anmietungen zu zahlen. Dafür muss ausreichend Technik verbaut werden. Durch Pay-per-use-Konzepte fallen für den Nutzer auch die Risiken langer Vertragslaufzeiten weg. Natürlich sind die Anforderungen an die Gebäudetechnik in den letzten Jahren deutlich gestiegen, aber das gehört nun einmal zum Vermietungsrisiko dazu. Allerdings sollten digitale Möglichkeiten immer kundennah gedacht und nicht von oben weg entschieden werden. Die smarteste Immobilie bringt nichts, wenn der Nutzer die vorhandenen Technologien gar nicht nutzen kann oder will.

Die Freigabe der Daten aus Toll Collect wäre ein echter Gewinn für unsere Branche.

Dr. Thomas Steinmüller, Vorsitzender des ZIA-Ausschusses Logistikimmobilien

Welche rechtlichen Probleme müssen gelöst werden, um die neuen Vermietungsmodelle zu realisieren?

Das deutsche Datenschutzrecht ist ein enormer Stolperstein bei der Entwicklung neuer Vermietungsmodelle. Sensorik ermöglicht es Vermietern natürlich immer, sehr genau nachzuvollziehen, wann eine Fläche genutzt wird – und häufig auch von wem. Die Erfassung dieser Daten kann durchaus kritisch betrachtet werden. Hier muss der Gesetzgeber für mehr Klarheit und Planbarkeit sorgen. Nicht zuletzt die DSGVO, deren Auswirkungen jeder von uns in seinem Mail-Posteingang sehen durfte, hat die deutsche Wirtschaft enorm verunsichert. Die Bundesregierung muss auf Basis der Vorgaben der Europäischen Union Regularien schaffen, um die Umsetzbarkeit neuer Vermietungsmodelle zu erleichtern. Sonst werden wir im internationalen Wettbewerb weiter abgehängt.

Sorgen temporäre Vermietungslösungen nicht für ein Absinken der Flächenqualität – beispielsweise im Hinblick auf die häufigen Umbaumaßnahmen oder den fehlenden repräsentativen Charakter der Flächen?

Wir dürfen das nicht als temporäre Lösung, sondern sollten es als flexible Lösung verstehen. Natürlich ist eine Anpassung an die Wünsche des Mieters sinnvoll, dann sollte sie aber auch allgemein und für zahlreiche andere relevante Nutzer funktionieren. Der repräsentative Charakter einer Fläche kann über ein modernes Ambiente gewährleistet werden. Wenn ein Mieter jedoch eher auf eine Bezahlung nach Nutzung achtet, soll er die Möglichkeit haben, eine funktionale und eben keine individuelle Fläche zu beziehen. Ankerimmobilien, die auf einen Mieter angepasst werden, können natürlich daneben immer noch angeboten werden. Auch hier können wir uns wieder an Nutzungsarten orientieren, die deutlich weiter sind, Büroflächen etwa. Coworking-Spaces werden auch von Konzernen – etwa zur Auslagerung von Kreativ- oder Innovationsabteilungen – genutzt und sind im Regelfall gar nicht an deren individuelle Anforderungen angepasst. Die klassische Arbeitsfläche, die auch den Designvorstellungen der Konzerne entspricht, gibt es aber nach wie vor. Es ist eben nur ein zusätzliches Angebot, also ein Incentive für Mitarbeiter. Und das nehmen sie dankend an.

Pop-up und Pay-per-use – was bedeutet das genau?

Ähnlich wie die Pop-up-Stores im stationären Einzelhandel bezeichnen Pop-up-Lager Logistikflächen, die über einen begrenzten Zeitraum vermietet werden. Der Begriff kann sich auf Immobilien beziehen, in denen die einzelnen Teilflächen und die nötige Gebäudetechnik flexibel an die Bedürfnisse wechselnder Nutzeranpassbar sind. Pop-up-Logistikzentren können jedoch prinzipiell auch darauf ausgelegt sein, nach einer gewissen Zeitspanne wieder abgebaut zu werden. Das zugrunde liegende Geschäftsmodell wird als Pay-per-use bezeichnet. Ähnlich wie beim Begriff Pay-per-view aus dem Bezahlfernsehen zahlt der Nutzer eines Pay-per-use-Angebots nur für die tatsächliche Nutzung einer Ware, anstatt ein Abonnement abzuschließen – oder, im Fall von Gewerbeimmobilien einen langfristigen Mietvertrag.