Roboter räumen Regale ein

Wenn das Regal mit dem Roboter spricht

Portraitfoto Daniela Reich
Die Nachfrage nach Logistikimmobilien boomt - auf Investoren- wie auf Nutzerseite.

Zahlreiche Studien beschäftigen sich daher mit dem Thema und versuchen zu antizipieren, wie sich die Assetklasse weiterentwickelt. Ob sich die Branche dabei auf eine Revolution einstellen muss, berichtet Daniela Reich, Leiterin des Bereichs Real Estate Management bei Aurelis.

Deutschlands Wirtschaftskraft gründet sich auf die Produktion von Gütern. Als Schlüsselfunktion untrennbar damit verbunden ist die Logistik. Mit ihrer Hilfe erhalten produzierende Unternehmen ihre Teile, werden Waren in die Läden und zum Kunden geliefert oder in andere Länder exportiert.

Inzwischen rückt die Logistik ins Zentrum der Unternehmensstrategie. Die Branche wird zur Innovation gezwungen und dafür sind vielfältige Einflüsse verantwortlich: Im B-to-B-Bereich ist es vor allem die Digitalisierung, die den Prozess von der Zulieferung und der Produktion über die Einlagerung bis zum Versand beeinflusst. Liefersysteme und Produktionsprozesse wachsen zusammen und werden als integrierter Teil der gesamten Wertschöpfungskette verstanden.

Im B-to-C-Segment sind es andere Faktoren, die neue Lösungen herausfordern: die stark steigende Zahl an Paketen für Endkunden, die Erwartungen der Konsumenten an Produktvielfalt und Liefergeschwindigkeit bei gleichzeitig immer dichteren Verkehrsströmen.

Die Immobilienwirtschaft sollte diese Entwicklungen kontinuierlich beobachten und ihre Auswirkungen auf Logistikimmobilien und -standorte untersuchen.

Vernetzte Prozesse bei Industrie 4.0

Der Lieferprozess ist heutzutage schon digitalisiert. Wenn wir den Status unserer online bestellten Ware nachverfolgen können, erleben wir einen kleinen Ausschnitt davon, was möglich ist. Die Zukunft der Logistik jedoch wird zum großen Teil automatisiert und noch viel stärker vernetzt sein. In der sogenannten Industrie 4.0 verzahnen sich durch Informations- und Kommunikationstechnik die Zulieferung von Elementen, die Schritte der industriellen Fertigung und die Auslieferung des fertigen Produkts.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert verschiedene Projekte und Initiativen zu „Hybriden Dienstleistungen in der Logistik“ *. Die Frage ist: Wie sieht die Mensch-Maschine-Interaktion zukünftig aus? Gearbeitet wird unter anderem an Lösungen, bei denen Menschen mit Robotern und cyberphysischen Systemen kommunizieren.

Cyberphysische Systeme? Das sind beispielsweise intelligente Regale, Container oder Fahrzeuge, mit denen interagiert werden kann. Möglich machen das beispielsweise Sensoren, die physikalische oder chemische Reize aufnehmen und mit elektrischen Signalen darauf reagieren, oder Aktoren, die durch elektrische Signale gesteuert werden können. Ein Beispiel? Durch ein Sensornetzwerk achtet der Container darauf, dass die richtige Ware beladen wird und dass sie nicht beschädigt ist. Er fordert ein Transportfahrzeug an und sichert über den gesamten Transportzeitraum ein optimales Klima. Aber auch die Maschinen untereinander kommunizieren. Die Regale geben dem Roboter ein Signal, dass sie neu befüllt werden müssen. Er übernimmt das, ebenso wie das Packen und Beladen von Fahrzeugen.

Aber wie werden sich diese Themen auf die Immobilie der Zukunft auswirken?

Cyberphysische Systeme verändern wenig

Ob der Einsatz von cyberphysischen Systemen und Robotertechnik einen erheblichen Einfluss auf die Gestaltung einer Logistikimmobilie haben wird, ist zu bezweifeln. Allerdings könnte der Bedarf an Flexibilität steigen. Möglicherweise werden Unternehmen durch optimierte und automatisierte Prozesse mehr und höhere Regale bestücken können (und wollen). Die Folgen sind Anforderungen, die nicht unbedingt spektakulär, sondern lediglich eine Weiterentwicklung sind: höhere Hallen, eine Bodentragfähigkeit von 10 bis 15 Tonnen oder mehr, so wenig Stützpfeiler wie möglich, ein leistungsfähiges Daten- und Stromnetz sowie eine intelligente Gebäudetechnik und ggf. Ladestationen für E-Mobilität. Durch den höheren Stromverbrauch könnten der Bezug und die eigene Herstellung von regenerativen Energien an Bedeutung gewinnen. Die digitale Steuerung der Arbeitsprozesse senkt außerdem den Bedarf an menschlichen Arbeitskräften. Die Büroflächenquote, die momentan bei etwa 10 Prozent der Gesamtmietfläche liegt, könnte somit schrumpfen.

Roboter und Regal stehen im Austausch, Bestände werden umgehend aufgefüllt.

Alles Themen also, die wenig exotisch sind. Und das dürfte Projektentwickler, Finanzierer und Investoren beruhigen. Für sie ist es elementar, dass künftig keine hochspezialisierten Logistikimmobilien entstehen, sondern bei aller Individualität für den Nutzer die Drittverwendungsfähigkeit gesichert ist. Das scheint auch in Zukunft möglich. **

Citylogistik braucht neue Ideen

Im B-to-C-Geschäft hingegen ist mehr Fantasie gefragt. Hier werden schon heute immer mehr Waren auf einer nahezu kollabierenden Infrastruktur in Ballungsräume und Innenstädte gebracht. Deshalb wird in drei verschiedene Richtungen gedacht:

  1. Die Logistikobjekte werden für die Organisation der sogenannten letzten Meile stärker in die Städte integriert. Je näher sie an Zentren und Wohngebieten sind, umso kleinteiliger werden sie – bis hin zu Hybridgebäuden, in denen einzelne Stockwerke durch Logistiker besetzt sind. Ein Modell, das dazu passen könnte: Co-Storing-Spaces wie store me, ein österreichischer Anbieter, der digitalisierten Selfstorage-Lagerplatz anbietet.
    Citynahe Logistik kann inzwischen auch durch interessante architektonische Lösungen punkten: Immobilienunternehmen bauen schon heute zweigeschossige Hallen, die den Raum besser ausnutzen. Und inzwischen gibt es auch ansprechende Gestaltungsideen für Fassaden, wenn der Nutzer es so wünscht.
    Eine Lösung, bei der das Immobilienunternehmen oder die Kommune nur noch eine kleine Fläche zur Verfügung stellen müssen, sind mobile Paketcontainer. Sie fungieren als Abholstationen und funktionieren mit intelligenter Technologie ohne Personal.
  2. Neue und ungewöhnliche Verkehrswege werden getestet. In der Schweiz beispielsweise sollen Transporte künftig unterirdisch stattfinden (siehe auch das Interview „Das kann die Logistikwelt verändern!“). Ob die Andienung aus der Luft, zum Beispiel über Paketdrohnen, eine Zukunft hat, ist heute noch nicht absehbar.
  3. Die Mobilität selbst verändert sich. Zum Beispiel durch selbst fahrende Transportfahrzeuge, die durch künstliche Intelligenz gelenkt werden, durch umweltschonende Elektrofahrzeuge oder mobile Roboter. Immobilien werden dadurch wahrscheinlich nicht anders aussehen als zuvor.
Ob wir unsere Pakete künftig per Drohne ausgeliefert bekommen, ist noch nicht absehbar.

3D-Druck: Steckt hier die Revolution?

Die Verbreitung des 3D-Drucks als neue Produktionstechnologie allerdings könnte nach und nach zu einer Revolution für Produktion und für Logistik gleichermaßen werden. Es fängt ganz harmlos damit an, dass geringe Seriengrößen und individuelle Produktgestaltung möglich wären. Dadurch könnte es sinnvoll sein, Produktion und Transport räumlich zusammenzuziehen. Ein höherer Bedarf an Multi-Tenant-Immobilien wäre das Ergebnis. Solange die Produktion noch bei den Unternehmen stattfindet, würde es außerdem die Nachfrage verändern – von Flächen für raumgreifende Fertigungsstraßen hin zu einer Nachfrage nach Lagerraum für die Rohstoffe. Die dazu passende Immobilie könnte die Cross-Docking-Halle mit vielen Rampentoren sein. Auf der einen Seite werden LKWs mit Rohstoffen ausgeladen und auf der anderen Seite werden die fertigen Produkte zur Auslieferung eingeladen.

Wenn der 3D-Drucker jedoch irgendwann einmal für den Endverbraucher erschwinglich und bedienbar geworden ist, kann sich jeder künftig seine eigene Produktionsstätte einrichten. Das neue Designermöbel aus England oder das bunte französische Keramikgeschirr werden dann zuhause ausgedruckt. Das würde mehr Dezentralisierung bedeuten und könnte auch Auswirkungen auf die (Immobilien-)Wirtschaft haben. Der Gütertransport würde in Teilen durch Rohstofftransporte ersetzt. Und zentral würden vermutlich nur noch die Güter produziert, die aus mehreren Komponenten hergestellt werden. Vielleicht steckt hier das meiste Potenzial für Veränderung.

Nicht mehr weit weg

Es wird intensiv geforscht und große Logistiker wie die Deutsche Post DHL sind sehr weit vorne bei Projekten und Studien zu 3D-Druck, Big Data, Robotertechnik oder selbst fahrenden Fahrzeugen. Schon im Jahr 2012 hat die Deutsche Post DHL eine Zukunftsstudie „Delivering Tomorrow: Logistik 2050“ entwickelt. Im Team dabei war übrigens auch Bestsellerautor Frank Schätzing. Und das, was vor fünf Jahren noch futuristisch klang, erscheint heute schon nicht mehr ganz so weit weg. ***

*Siehe: www.innovationslabor-logistik.de oder https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/pressemitteilungen/de/was-bedeutet-industrie-4-0-in-der-praxis.html

** Ausführlich beleuchtet und mit Statements und Marktdaten hinterlegt finden sich hierzu auch Informationen in diesem Marktbericht: http://pdf.euro.savills.co.uk/germany-research/ger-ger-2016/bulwiengesa-logistikstudie-2016-de-studie-screen.pdf