„Prinzipien zu haben, zahlt sich jetzt aus“

Interview mit Philipp Pferschy, Vorstand der GIEAG Immobilien AG

Nach der Hochphase der Pandemie hatte die Branche auf „einfachere“ Jahre gehofft. Aber es kam anders. Das derzeitige Krisenszenario stellt alle vor bislang unbekannte Herausforderungen. Können dennoch bewährte Rezepte Lösungen liefern? Oder gilt es, völlig neue Strategien zu entwickeln? Sieht man die Lage mit langjähriger Erfahrung gelassener? Wir haben drei Branchenprofis nach ihrer Einschätzung gefragt. Hier die Meinung von Herrn Pferschy.

Herr Pferschy, helfen Erfahrungen aus früheren Krisen, mit der jetzigen umzugehen?

Definitiv. Ich habe meine Laufbahn in unserem Familienunternehmen, der GIEAG Immobilien AG, im Jahr 2008 gestartet. Also auf dem Höhepunkt der Weltfinanzkrise. Daher musste ich von Tag eins an mit einer Krisensituation umgehen. Und schon damals konnte ich beobachten, wie sich plötzlich die Spreu vom Weizen trennt – auf die Branche übertragen würde ich sagen: die echten Unternehmerinnen und Unternehmer von den Glücksrittern. Von daher betrachte ich die momentane Situation ein Stück weit als gesund. Wenn es einen fruchtbaren Boden für nachhaltige unternehmerische Entscheidungen gibt, dann jetzt.

Wird die Krise die Branche beziehungsweise den Markt verändern?

Das hat sie bereits. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Welt eine andere geworden. Bis vor Kurzem konnten Spekulanten noch absahnen. Wegen der niedrigen Zinsen gab es für Entwickler nur wenig Druck, ihre Projekte tatsächlich zu realisieren. Das hat den Markt aufgebläht und die Ankaufspreise in schwindelnde Höhen getrieben. Spannende Quartiers- oder andere Projektentwicklungen sind preislich oft gar nicht darstellbar gewesen. Mittlerweile haben die hohen Finanzierungskosten eine andere Realität geschaffen, und das ist auch gut so. Für Projektentwickler kommt es jetzt wieder auf die klassische Wertschöpfung an.

Müssen wir uns auf magere Jahre einstellen?

Keineswegs, für Profis betrachte ich den Markt mittelfristig als positiv. Mit guten Immobilienkonzepten in etablierten Lagen lassen sich nach wie vor gute Geschäfte machen. Dafür sorgt allein schon die hohe Nachfrage nach zeitgemäßen Wohn- und Gewerbeflächen. Hinzu kommt, dass die Anforderungen der Nutzerinnen und Nutzer gestiegen sind. Aber auch neue gesetzliche Auflagen zwingen zum Handeln. Die Bundesregierung hat dabei ganz klar den Fokus auf den Bestand gelegt. Das zieht die Revitalisierung zahlreicher bestehender Immobilien nach sich. Es gibt also viel zu tun.

Welchen Kurs schlagen Sie mit der GIEAG jetzt ein?

Einen konservativen Kurs. Unser Fundament bilden drei Unternehmensprinzipien: erstens die Diversifikation über einzelne Nutzungsarten hinweg, zweitens die vorsichtige Einkaufsstrategie mit geringem Fremdkapitalanteil und drittens die Kompetenz der Bestandshaltung. Diese Form des Risikomanagements zahlt sich in der derzeitigen Krise aus – das merken wir ganz deutlich. Bei uns können Projekte auch mal länger in den Büchern bleiben als geplant. Deswegen bin ich recht entspannt – selbst wenn das Transaktionsgeschehen im vierten Quartal nicht in dem Maß an Fahrt aufnimmt, wie zu Jahresbeginn erhofft wurde.

Wohin wird die Reise für die Branche nach der Krise gehen?

Ich halte es für unrealistisch, zu weit in die Zukunft zu schauen, und ich möchte auch keine Prognose für die gesamte Branche abgeben. Ich möchte mich vor allem auf die jetzige Situation fokussieren und die richtigen unternehmerischen Entscheidungen treffen. Dabei setze ich weit mehr auf die Erfahrungswerte langjähriger Branchenteilnehmer als auf das Bücherwissen. Eine wichtige Wissensquelle ist für mich beispielsweise unser Aufsichtsrat. Im Austausch reifen Beschlüsse, die das Unternehmen, seine Bestände und Projektentwicklungen in die Zukunft tragen. Nachhaltigkeit wird dabei immer wichtiger – beispielsweise indem wir ressourcenschonend bauen oder Gebäude nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip wieder abtragen.

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